Wiedersehen macht Freude. An der Rezeption begrüsst mich «Cheffe Concierge» Sylvie Gonin, seit über 30 Jahren schon im Haus. Die Frau mit den feurig roten Haaren kennt ihre Clientèle, und vor allem: Sie erfüllt klaglos deren Wünsche, mögen sie noch so ungewöhnlich sein. Madame Sylvie zuckt auch nicht zusammen, wenn ein Gast plötzlich einen Hund kaufen will; sie kennt die Züchter in der Umgebung. Andere Positionen wechseln häufiger. Der General Manager etwa oder der Chef im Restaurant «Pic». Die Klasse aber bleibt: Das «Beau-Rivage Palace» in Lausanne-Ouchy ist eines der schönsten «Swiss Deluxe Hotels», atemberaubend gelegen in einem riesigen Hotelpark, mit Blick auf den Lac Léman. Besitzerin ist die «Fondation Sandoz», eine Familienstiftung mit praller Kriegskasse und klaren Vorstellungen. Wird gebaut, ist nur das Beste gut genug. Das Hotel aus dem Jahr 1861 ist auf dem neuesten Stand. Beeindruckend.
Der Pakt mit Anne-Sophie Pic. Wer «Beau-Rivage» sagt, sagt auch «Pic». Madame Anne-Sophie führt seit 15 Jahren ein Restaurant im Haus, und ein Ende der nicht ganz billigen Kooperation ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Das Restaurant wurde komplett umgebaut, nach den Wünschen von «la Cheffe», wirkt heller, grosszügiger, femininer. «Jetzt passt das Restaurant zu mir», sagt Anne-Sophie Pic. Lausanne ist für sie eine Herzensangelegenheit: Ein echtes «Pic», vergleichbar mit dem Stammhaus in Valence. Alle anderen Filialen sind eine Liga tiefer positioniert, heissen «La Dame de Pic». Die Familie hat nicht nur in Frankreich Legenden-Status. Gemeinsamer Nenner von Grossvater, Vater und Tochter Pic: Alle drei sind Dreisterne-Köche! Anne-Sophies Hommage an ihren Vater: Das Paradegericht «Jacques Pic Sea Bass with Caviar», ein Rezept aus dem Jahr 1974, bleibt ewig auf der Karte. Glücklicherweise: Der Wolfsbarsch mit reichlich Kaviar in der Beurre Blanc schmeckt grandios.
Berlingots: Ravioli mit Copyright. Verblüffend im Restaurant «Pic»: Schweizer Produkte prägen die Karte! Serge Pidoux von der «Pècherie d’Ouchy» fängt für die Chefin Felchen und Saibling. «Le Cochon Kräuter» entpuppt sich als Thurgauer Apfelschwein. Der Schafskäse für den Signature Dish «Les Berlingots» (zylinderförmige Ravioli) stammt vom Mont Gibloux in den Fribourger Alpen. Die Berlingots sind urheberrechtlich geschützt, stehen mit dem Vermerk Copyright ASP auf der Karte. Vor allem das Gericht «la fera» hat mich umgehauen. Anne-Sophie Pic hängt die simple, aber unglaublich frische Felche für ein paar Tage in den Reifeschrank, serviert sie dann mit einer Crème aus frischer Mandelmilch und Amazake. Schweizer Winzer spielen im Restaurant der Französin die Hauptrolle: Marie-Thérèse Chappaz, Irene Grünenfelder, Philippe Darioli, Weingut Bachtobel. Mitten im Restaurant steht eine Bar, eine Art Testlabor: «Alkoholfreie Getränke sind im Trend», sagt die Gastgeberin und arbeitet mit ihren Mixologists an raffinierten «Créations 0%».
Küchenchef: Öfter mal ein anderer. In der «Pic»-Küche wechseln die Chefs recht häufig. Madame Anne-Sophie stellt mir den Neuen vor: Jordan Theurillat. Er kommt ausnahmsweise nicht aus der «Pic»-Talentschmiede. Er wurde bei Marc Haeberlin im Elsass ausgebildet. Aber natürlich hat er die Pic-DNA. Er hat in Lausanne ein paar Jahre als Souschef gearbeitet, führte dann «La Dame de Pic» in Paris und er war noch ein paar Wochen in Valence im «Trainingslager», ehe er in Lausanne eröffnete. Die vielen Wechsel am Herd machen uns Testern das Leben nicht einfacher; etwas Konstanz muss in dieser Liga schon sein.
Filets de perches und Usuzukuri. Wie gut sind eigentlich die anderen Restaurants des Hauses? Ich reservierte einen Tisch im wunderschön gelegenen «Café Beau Rivage» (14 Punkte), Treffpunkt auch der Lausanner. Die «Filets des Perches meunières» stammen aus bester Quelle (Pècherie d’ Ouchy), waren diesmal etwas trockener als auch schon. Die «Saladine de la Famille Cuendet» empfehle ich gerne weiter: Die Familie züchtet in Bremblens VD 300 Gemüsesorten. Die «Fines Tranches de Daurade sauvage» zeugen vom Ehrgeiz der Brigade. Gleich nebenan wird Japan-Küche angeboten, unter dem neuen Restaurant-Namen «Kaigan» (vorher «Myoko», neu 15 Punkte): Die Sushi-Chefs sind hier die Stars. Auch gut: Die Usuzukuri (Sashimi), die Gyoza mit Poulet und Gambas, der in weisser Miso marinierte Black Cod. Für eine grössere Tischrunde kann ich «Takarabune» empfehlen: Sushi, Maki, Sashimi – 44 Stück! Zum erweiterten Angebot gehören zwei weitere Sandoz-Restaurants: Das «Academia» im Hotel Angleterre & Residences und «La Table de Lausanne Palace» mit Top-Chef Franck Pelux (17 Punkte).
Leuchtturm der Schweizer Hotellerie. GaultMillaus «Hotel des Jahres 2023» weiss, wie man Gäste anspruchsvolle Gäste verwöhnt. «Masterpiece» ist der alte «Beau-Rivage»-Flügel, der ausgehöhlt und umgebaut wurde. Für Glanz in den 63 Zimmern und vor allem in den sieben unglaublichen Suiten sorgte der Pariser Stararchitekt Pierre-Yves Rochon: Er zeigte Respekt vor der Geschichte des Hauses, baute grandiose Badezimmer, setzte auf viel Kunst und sanfte Farben. Das «Beau-Rivage Palace», geleitet von General Manager Benjamin Chemoul, ist eine Ganzjahresadresse, im Sommer natürlich besonders schön. Frühstück auf der Terrasse, Yoga, Golf (Putting Green), Tennis, Paddel und Riesenpool im Park. Ein Leuchtturm der Schweizer Hotellerie.
Fotos: Thomas Buchwalder, Olivia Pulver, Grégoire Gardette