Fischer, Pilzler, Gärtner, Koch. Fabrizio Piantanida (Bild oben), seit zehn Jahren Executive Chef im «Kronenhof» Pontresina, ist Frühaufsteher. Gut für die Gäste: Um sechs Uhr zieht er los Richtung Lago Bianco (2234 m). Die Saiblinge, die er aus dem eiskalten Wasser hievt, mutieren dann zum Tatar. Tannenbaum-Öl kommt drüber, dazu frisch gezupfte Kräuter aus dem eigenen, hochalpinen Garten. Nachmittags, in der «Zimmerstunde» geht’s dann in die Pilze, Richtung Maloja. Und weil alle 22 Köche eine Leidenschaft fürs Backen haben, gibt’s auch ofenfrische Brote, sieben Varianten stehen zur Wahl.
Halbpension der Extraklasse. «Halbpension ist tot», sagt man in der Branche. Gilt für nicht für das Swiss Deluxe Hotel Kronenhof. Die meisten Stammgäste buchen das «HP-Package». Kann ich gut verstehen: Der Chef serviert im «Grand Restaurant», unter einem neobarocken Gewölbe aus dem Jahr 1872, ein beeindruckendes, täglich wechselndes Menü: Salatbuffet. Trofie mit Zucchetti-Carbonara, Fisch-Guazzetto (Ragout), Kalbssteak in Meerrettich-Kruste, Wolfbarsch mit Venusmuscheln, Alternativen für Vegetarier. Die Tenüvorschriften («Jacket please!») kann man akzeptieren. Im eleganten «Grand Restaurant» trifft man sich auch zum Frühstück. Da gibt’s alles, was man in einem Fünfsterne-Hotel so erwarten kann und noch einiges dazu: Crevetten-Schwänze, geräucherte Forellen und perfekt gebratenes Roastbeef, Pastel de nata, Mini-Berliner und Mini-Muffins aus der Kuchenabteilung. Der Service ist schon im Morgengrauen perfekt. Der «Kronenhof» ist auch im Herbst geöffnet – weil der «Indian Summer» im Engadin so faszinierend schön ist (DZ ab 465 CHF).
«Nose to tail» im «Kronenstübli». Das gemütliche «Kronenstübli» ist eine feste Grösse in der Engadiner Foodie-Szene und natürlich auch bei GaultMillau (16 Punkte). Chef Fabrizio hat immer wieder ein paar Überraschungen auf Lager. Der kanadische Hummer etwa wird sorgfältig aus der Karkasse gelöst und auf einem Mini-Grill noch kurz geräuchert. Bei der Essenz vom Puschlaver Freilandhuhn gilt «nose to tail»; Karkasse für die Power in der Suppe. Gezupftes Schenkelfleisch in der Panko-Praline. Hühnerbrust verarbeitet zu einem raffinierten Salätli. Und wie man von einem Tier alles verwertet, zeigt der Chef auch beim Bio-Lamm der Zuozer Familie Casty: Lammkarre fürs Fine Dining, Gigot für die «Halbpension», Rippli fürs Personalessen. Weitere Highlights im «Kronenstübli»: Die klassische Entenleberterrine. Das «Kaviar-Ei» (fünf Gramm Oscietra Imperial). Die Plin, gefüllt mit geschmorter Kalbsbrust. Die «Canard Rouen Art»: Die Karkassen knirschen in der silbernen Entenpresse, die Sauce ist beeindruckend tief. Regie führt die Engadinerin Sonja Jörg, eine geborene Gastgeberin. Nach dem Dinner trifft man mich in der «Smoker’s Lounge» - eine der schönsten in den Alpen.
Ravioli & Spanferkel im «Pavillon». Mein Geheimtipp im Resort: Der uralte, denkmalgeschützte Pavillon im grossen Garten, mit Sonnendeck und angenehmer Karte. Die Ravioli al Brasato mit Nussbutter und Salbei sind gerade richtig für einen kleinen Lunch. Küchenchef Piantanida bittet öfter mal zum BBQ und hat’s neuerdings auch mit dem Schwein: Ein Spanferkel dreht am Spiess. Der «Pavillon» wird demnächst sanft umgebaut, geplant ist ein drittes Restaurant im Resort, das auch abends geöffnet ist. Der Charakter soll nicht verloren gehen. Dafür bürgt Spiros Niarchos, Pavillon-Fan und «Kronenhof»-Besitzer.
Wildbeobachtung & Fackelwanderung. Der «Kronenhof» hat einen neuen General Manager: Claudio Laager hat übernommen. Zum Traumjob kam er via «Engadiner Post»: «Meine Freundin hat in einem Inserat gesehen, dass der Kronenhof einen neuen Direktor sucht. Also habe ich mich beworben. Ich bin glücklich, wieder zurück zu sein in meiner Heimat.» Laager will nicht immer am Bürotisch sein. Er zeigt seinen Gästen lieber persönlich, wie schön das Engadin ist. Er geht mit ihnen zur Wildbeobachtung ins Val Roseg oder Richtung Alp Languard und hat mit Feldstecher, Teleskop und Wärmebildgerät praktisch eine Erfolgsgarantie. Er lädt zum Risotto in seine Jagdhütte oder zu einer Fackelwanderung auf Muottas Muragl und empfiehlt Eisbach-Kneippen im nahen Fluss. Laager: «Das Engadin ist auch eine fantastische Herbstdestination. Deshalb bleibt unser Haus durchgehend offen.» Sein Vorgänger Marc Eichenberger, der das zauberhafte Swiss Deluxe Hotel zehn Jahre lang mit grossem Erfolg geführt hat, ist jetzt Diplomat, reist mit dem Diplomatenpass um die Welt.
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Fotos: Gian Giovanoli, Filip Zuan, Barbara Corsico, HO