Text: Anita Lehmeier I Fotos: David Künzler
MARKT-LÜCKE GESCHLOSSEN. «Jeden Tag Markt», steht es in grossen rotgoldenen Lettern an der Wand im Untergeschoss des Bahnhofs Luzern. Knapp und klipp und klar beschreiben die drei Worte das Konzept der Markthalle Luzern. An 365 Tagen im Jahr gibt’s hier alles zu kaufen, was Gerngutesser suchen: Frisches Gemüse und Obst, Fisch und Fleisch, Käse und Wein, Brot und Butter. Alles streng selektioniert, von den besten Produzenten aus der Region, auf 300 Quadratmetern schön präsentiert. «Wir sind der Markt, wenn an der Reuss kein Wochenmarkt ist», meint Geschäftsführer Tim Holleman. «Wir haben täglich bis 21 Uhr offen, wochentags ab 6 Uhr, an den Wochenende ab 8 Uhr.» Der Start im vergangenen Dezember sei ein optimaler Zeitpunkt gewesen, «wir sind voll im Weihnachtsgeschäft eingestiegen», so Holleman, «das Interesse war von Anfang an enorm. Alle Luzerner und Luzernerinnen schauten bei uns rein.» Fachleute wie zwei Metzger, ein Gemüsegärtner, eine Sommelière, ein Barista und Verkäufer und Verkäuferinnen stehen für Fragen zur Verfügung. Ausserdem bietet die Markthalle neben täglich frischen Lebensmitteln und persönlicher Beratung eine Exklusivität: «Jeden Tag acht Sous-vide-Gerichte von einer Spitzenköchin!». Grosses Bild oben: Tim Hollman, Geschäftsführer, und Patrick Werder, Leiter Beschaffung, in der Markthalle Luzern.
VON DER STERNEKÜCHE IN DIE MARKTHALLE. In der kleinen Sous-Soul-Küche hinter der Markthalle steht seit der Eröffnung die hoch talentierte Andrea Troxler. Die junge Köchin war vorher im Culinarium Alpinum im Stanser Kloster tätig und suchte nach ihrer Chefkoch-Ausbildung eine neue Herausforderung, die sie nun in der Markthalle gefunden hat. Nach ihrer Lehre im «Adler» in Nebikon (der legendäre Hunkeler Seppi war ihr Grossonkel!) bei Raphael Tuor hatte sie in diversen Sterne-Küchen gearbeitet: im «Hopfenkranz» in Luzern, bei Ana Roš (die beste Köchin der Welt 2017, «The World’s 50 Best Restaurants») in Slowenien, im «Maaemo» und im Bistro Le Benjamin in Oslo, im Atelier de Joël Robuchon in London. Jetzt kocht sie aus den Top-Produkten der Markthalle frische Gerichte, die sous-vide in der Kühltruhe oder frisch als Take away angeboten werden. «Wir haben Stammkunden, die hier täglich ihr Znacht holen», freut sich Holleman. Ab April ist eine Schöpfstation beim Ladeneingang geplant für Mittagsmenüs to go.
ANDREA, DIE ALLES-VERWERTERIN. Ganz im Sinne der Nachhaltigkeit verwertet Andrea Troxler auch die Sachen aus den Regalen, die nicht mehr ganz taufrisch sind; so wird in der Markthalle Foodwaste aufs Feinste vermieden. Aus dem Brot unverkaufter Sandwiches entstehen Serviettenknödel. Wenn zu viel Milch geliefert wurden, macht sie daraus Milchkaramell als Brotaufstrich. Aus vörigen Eiern gibt’s Knöpfli. Angedellte Kürbisse werden zu Konfi verarbeitet. Aus Rüstabfällen stellen Troxler und ihr Küchen-Team kurzerhand Gemüse-Bouillon her. Wie das geht – in unserem Rezept!
DIE DISTANZ ZÄHLT. Bei jedem Produkt im Laden gibt ein Schild Auskunft über die Produzenten, den Anbau – zum Grossteil Bio- oder Demeter-Standard – und als Besonderheit die Distanz, welche die Ware bis zum Verkaufspunkt zurückgelegt hat. Regionalität wird in der Markthalle grossgeschrieben und hochgehalten. Die Bio-Rüebli, das Schweins-Trockenfleisch und die Pilze aus der Justizvollzugsanstalt Wauwilermoos haben 26,95 Kilometer zurückgelegt, der Kochspinat vom Demeterhof Stalder in Sempach Station 10,8 Kilometer, der Cicorino Rosso vom Biohof Widacher in Malters 10,5 Kilometer, der saure Halbrahm und der Raclettekäse aus der Molki Stans 11,3 Kilometer.
SABINAS FELCHEN. UND MUSCHELN AUS DER REUSS. Fast in Sichtdistanz lebten die Felchen, die die Megger Fischerin Sabina Hofer am frühen Morgen aus dem Vierwaldstättersee gezogen hat: 5,2 Kilometer. Die gelernte Fischwirtschaftsmeisterin bringt ihren Fang am Tag unseres Shootings gleich selbst vorbei. Ebenso Lenny Hartmann, Sous-Chef im «Drei Könige» in Luzern und begeisterter Hobbytaucher. Er hält als Lieferant den Kurzstreckenrekord: 0,7 Kilometer. Er und seine Freundin Steffi Boo steigen regelmässig in die Reuss und holen da am Grund Körbchenmuscheln raus, (Corbicula fluminea), eine invasive Art, die in wenigen Zentimeter Tiefe im Sediment lebt. «Pro Tauchgang holen wir rund zwei Kilo Muscheln nach oben, an einem guten Platz auch mal sechs Kilo. Aus einem Kilo pulen wir aber gerade mal 200 Gramm Muschelfleisch raus», erzählt Lenny Hartmann. Im Winter dauere ein Tauchgang maximal 30 Minuten, dann zwinge ihn trotz Neoprenanzug die Kälte zurück ans Land. Was der Koch mit dem Hecht-Tattoo auf dem Unterarm nicht selbst für das Sechs-Gang-Menü «La Grande bouffe» im «Drei Könige» braucht, bringt er in die Markthalle. Die Muscheln gibt’s frisch vakumiert oder im Gläschen, in Sonnenblumenöl eingelegt. Die Körbchenmuscheln seien durch ihren Lebensraum in einem Fliessgewässer natürlich gut gereinigt, frei von erdigem Gout und erinnerten in Biss und Aroma an Zanderbäckchen.
NEU DABEI: DER EIGENBRÖTLER. Bei unserem Shooting taucht auch spontan Daniel Amrein auf, der Eigenbrötler, um dessen Brote sich Spitzengastronomen und Spezialitätenläden reissen. Ab sofort ist das erlesene Markthallen-Sortiment um drei Goodies reicher: ein Kasten-Roggenkeimbrot mit Kernen, ein Dinkelbrot und ein Dinkelmutschli von der Bäcker-Legende aus Wauwil mit dem gezöpfelten Bart. Amrein ist am Luzerner Wochenmarkt schon lange dabei, findet aber die Markthalle «eifach so guät», dass er auch sie beliefert. «Wir müssen zwar aufpassen, dass wir nicht zu gross werden», meint Amrein, «dass wir exklusiv bleiben. Aber die Nachfrage wächst und wächst». Gutes Brot zu machen sei nicht schwierig, täglich gutes Brot zu machen allerdings sehr. Gemeinsam mit Einkäufer Stefan Widmer prüft der Eigenbrötler die Kerntemperatur der Brote nach dem Aufbacken, diskutiert Temperatur und Zeit im Ofen, um ein optimales Resultat zu erreichen. Im Gespräch über das tägliche Brot sagt Amrein, dass er ein Fan des GaultMillau-Channel ist. «Ich schau täglich rein, gleich nachdem ich den Computer hochgefahren habe! Die einzige Seite, die ich regelmässig anklicke und lese. Ich kenne ja viele der Köche, über die berichtet wird. Und lerne immer wieder das Neueste aus der Gastronomie!»