Marco Zanolari, Sie gelten als Macher, nicht als Verwalter. Was machen Sie gerade bei The Living Circle?
Verkürzt ausgedrückt: Ich glaube an die drei Ps – People, Product, Profit. Meine erste Amtshandlung galt der Zusammenstellung eines guten Teams. Wir wollen die Werte und die Kultur von The Living Circle leben. Es ist wichtig, dass alle am gleichen Strick ziehen. Darauf folgt das Produkt, also die Hotelinfrastruktur, die Touchpoints zwischen Gast und Mitarbeiter. Stimmen People und Product, folgt in der Regel der Profit.
Sie waren bis jetzt immer der General Manager an der Front, nahe bei den Gästen. Jetzt sind Sie ein CEO mit 800 Mitarbeitern. Fehlt Ihnen da nicht etwas?
Ich war gern Hotelier, und ich war gern an der Front. Aber ich bin in meiner neuen Aufgabe ja gar nicht so weit weg. Ich coache unser zum Teil sehr junges Team, bin jeden Tag in unseren Hotels unterwegs. Ich checke täglich die Liste der «Arrivées» und begrüsse schon mal die Gäste.
Sie sind ein Four-Seasons-Kid, ausgebildet in dieser weltberühmten Hotelgruppe. Im Grand Resort Bad Ragaz und bei The Living Circle arbeiten Sie nicht mehr für eine riesige Organisation, sondern für Schweizer Milliardäre, die sich Hotels leisten.
Four Seasons ist die beste Schule, die man haben kann. Das Ausbildungsprogramm ist sensationell, man lernt Hotellerie! Die Unterschiede sind nicht gross: Auch jedes Four-Seasons-Hotel hat einen Besitzer. Man lernt mit den entsprechenden Wünschen und Anforderungen umzugehen. In Bad Ragaz und bei The Living Circle habe ich Möglichkeiten, selbst zu bauen und zu gestalten.
Bei The Living Circle ist Gratian Anda Ihr Boss. Wie erleben Sie ihn?
The Living Circle liegt Gratian Anda und seiner Frau Lidia nahe am Herzen. Ihre Visionen gefallen mir. Der Besitzer hat ein enorm gutes Auge für coole Hotels, ist sehr anspruchsvoll. Die Zusammenarbeit ist unglaublich spannend.
Das «Château de Raymontpierre» im Jura ist das neuste Juwel in der Kollektion von The Living Circle.
The Living Circle definiert sich so: «Wir sind eine handverlesene Gruppe von erstklassigen Hotels an den kompromisslos schönsten Lagen.» Bis jetzt stimmt das. Können Sie das Markenversprechen bei Zukäufen halten, oder müssen Sie Ihre eigenen Ansprüche etwas tiefer setzen?
Wir bleiben kompromisslos. Die Definition gilt auch für allfällige neue Hotels der Gruppe. Aber wir können uns auch andere Formen der Zusammenarbeit vorstellen. Wir gehen «Friends of the Family»-Kooperationen ein, arbeiten dann etwa im Marketing, Einkauf, Sales, Revenue Management und bei der IT zusammen, ohne ein Hotel gleich in The Living Circle zu integrieren.
Sie sprechen oft vom «neuen» Luxus in der Fünf-Sterne-Hotellerie. Was meinen Sie damit?
Das Leben in einem guten Fünf-Sterne-Hotel ist ungezwungener geworden. Der Gast erlebt mehr. Auf der ganzen Welt sind Hotels das Zentrum der Stadt. Ein Ort, wo man sich trifft – in der Lobby, an der Bar. Wir erleben das in unserer berühmten Widder Bar. Ein Meetingpoint für unsere Gäste genauso wie für Locals. Die Bar hat eine besondere Energie.
Das Leben im Luxushotel ist teuer geworden. Den Gästen aus den USA ist das egal. Wie reagiert die Schweizer Klientel auf die saftigen Preise?
Im Vergleich zu den A-Städten wie Paris, London oder New York liegen wir gut. Dort bezahlt man für deutlich weniger viel mehr. B-Städte wie Kopenhagen und Wien sind mit uns vergleichbar. Ausländische Gäste akzeptieren unsere Preise gut, schätzen Qualität, Service und Sicherheit. Schweizer Gäste wissen, dass unsere Kosten stark gestiegen sind und wir die Preise erhöhen mussten.
Man darf The Living Circle gratulieren. Alle Hotels wollen grüner werden. Ihre Hotels sind es schon längst. Eigene Landwirtschaften gehören zur DNA der Gruppe.
Ja, und darauf sind wir stolz. Wir können unseren Gästen zeigen, was unsere Landwirtschaftsbetriebe leisten. Wir können die Produkte beeinflussen: Wir haben im Jura unsere eigene Fleischproduktion. Und wir investieren in Ascona beispielsweise intensiv in unsere Cantina alla Maggia. Wir pflanzen neue Traubensorten ein, wir haben einen Top-Önologen engagiert, der sich eng mit unserem Top-Sommelier austauscht. Unsere Geschichte stimmt!
Sie haben mit den Weinen Ihrer Cantina alla Maggia Ambitionen.
Wir verbesserten in den letzten Jahren die Qualität stark und wollen im Tessin oben mitspielen. Ich glaube, wir können das.
Der lauschige Innenhof des «Castello del Sole» ist im Sommer die Bühne für Mattias Roocks 18-Punkte-Küche.
Terreni und Cantina alla Maggia sind fantastisch. Und für den Gast in wenigen Schritten erreichbar. Da ist das Schlattgut etwas weiter entfernt von Ihren Zürcher Hotels.
Das Schlattgut hoch über dem Zürichsee ist ein Traum. Die Familie Ledergerber führt den Betrieb in der zweiten Generation, sät Beeren ein für unsere Köche, versorgt uns mit Hof-Glace und vor allem mit Eiern. Alle Eier, die wir in unseren Zürcher Hotels verwenden, sind frisch vom Hof. 1000 Hühner legen für uns 1000 Eier im Tag.
Und die Gäste in Ihren Fünf-Sterne-Hotels fahren in einer Mercedes-S-Klasse-Limo hin und bestaunen Kühe und Hühner?
Genau. Sie buchen beim Concierge einen Besuch auf dem Schlattgut und gehen bei dieser Gelegenheit auch noch in unserem Restaurant Buech in Herrliberg essen. Viele, die in der Grossstadt leben, haben Tränen in den Augen, wenn sie einen Hof wie das Schlattgut sehen.
Sie «gönnen» sich auch ein Hotelschiff.
Wir verstehen uns als City Lake Resort, sehen uns als eine Einheit. Unsere Gäste können im «Widder» wohnen, am Storchen-Steg ins Boot steigen und ins «Alex» Thalwil zum Essen fahren. Auch ein Bootstransfer zum Schlattgut mit Abholservice ist möglich.
The Living Circle leistet sich herausragend gute Köche in allen Hotels. Und Andreas Caminada ist auch Teil der Gruppe.
Ein riesiger USP. Kulinarik gehört zu unserer DNA und in unsere Häuser. Andreas Caminada ist eine Bereicherung für die Gruppe, ein toller Partner, der uns sehr inspiriert. Er besucht unsere Outlets regelmässig und sagt, was wir besser machen können.
Aber ein eigentliches Caminada-Restaurant fehlt The Living Circle noch.
Richtig. Wir würden mit Andreas gern ein Projekt umsetzen, am liebsten in Zürich. Wir haben Pläne, aber es vergeht viel Zeit, bis man für neue Projekte die nötigen Bewilligungen kriegt.
Im «Storchen» mit Blick auf Limmat und Grossmünster kocht 17-Punkte-Chef Stefan Jäckel.
Lassen Sie uns kurz durch Ihre Hotels surfen, und Sie verraten uns, was sich tut.
Im «Castello del Sole» haben wir sieben Jahre an einem Masterplan gearbeitet und wollen massiv investieren. Liegen die Bewilligungen vor, legen wir los. Im «Widder» ist nach 30 Jahren ein Refreshment fällig, und wir möchten im Erdgeschoss noch ein attraktives Café einbauen. Der «Storchen» ist ein Erfolg, arbeitet mit hohen Frequenzen. Wir möchten die grosse «Rôtisserie» noch etwas zugänglicher machen. Das «Alex» in Thalwil öffnet nach Umbauarbeiten am 15. April wieder. Wir haben da eine jüngere Zielgruppe im Visier. Luigi De Gregorio ist ein hervorragender Chef, und wir haben die schönste Terrasse am Zürichsee.
Chef Luigi stammt aus den eigenen Reihen.
Er hat bei Tino Staub im «Widder» gearbeitet und macht jetzt im «Alex» zusammen mit seinen Köchen von der Amalfiküste sein eigenes Ding. So ist es bei uns: Unsere Mitarbeiter sollen innerhalb der Gruppe aufsteigen können. Auch Stephanie Meyer, unsere neue Hotel-Managerin im «Storchen», stammt aus den eigenen Reihen.
Château de Raymontpierre im Jura ist neu bei The Living Circle. Reich werden Sie damit wohl nicht.
Das «Raymontpierre» ist eine sensationelle Adresse für Events. Man trifft sich in einer wenig bekannten, wunderschönen Gegend, wohnt auf dem liebevoll renovierten Schloss, hat einen Bauernhof gleich nebenan. «Raymontpierre» ist schon lange in Besitz der Familien. Sie will dem Kanton Jura mit dieser Investition auch etwas zurückgeben.
Sie kennen die Welt. Ihr Lieblingshotel?
Das «Four Seasons Astir Palace» an der Riviera von Athen. Ein wunderschöner Strand, ein hervorragendes Restaurantangebot. Ein Haus mit Geschichte. Und dann bin ich seit Jahren ein Fan vom «Widder». Kam ich aus dem Bündnerland nach Zürich, habe ich immer im «Widder» gewohnt. Hier fühlt man sich als Teil der Stadt.