Das Schloss der Familie Anda. Einfach ist «Château de Raymontpierre» nicht zu finden, auch das GPS im Auto ist überfordert. Aber etwas Pfadfinder-Arbeit lohnt sich: Das Jagdschloss thront im Jura auf einem Hügel, über Wäldern, die den gleichen Besitzer haben: Gratian Anda. Er hat das Anwesen aus 20 Jahren Dornröschenschlaf geweckt, liebevoll renoviert, mit erlesenen Materialien ausgestattet. Mondholz spielt die Hauptrolle, geschlagen im eigenen Forst. «Raymontpierre», seit Jahrzehnten im Besitz der Familie Anda-Bührle, ist jetzt Teil von «The Living Circle». Ein Juwel in der Kollektion das glänzt, aber nie rentieren wird. Und auch nicht muss.
Der «Koch des Jahres» war schon da. Das Schloss nahe des «Röstigrabens» wurde im 15. Jahrhundert erbaut. Ein klassisches Hotel ist «Raymontpierre» nicht: Retreats finden in den historischen Mauern statt, VR-Sitzungen, Familientreffen, Hochzeiten. Individuell einchecken kann man in den Sommermonaten Juli und August. Und immer dann, wenn befreundete Starchefs zu Gourmetdinners bitten. Einer war schon da: Silvio Germann, GaultMillaus «Koch des Jahres 2024». Er ist hell begeistert: «Wirklich am Ende der Welt, aber so schön! Der perfekte Ort, um abzuschalten und die Ruhe zu geniessen. Wenn ich mal heirate, wäre das sicher ein Ort dafür.» Silvio hat sein Gastspiel in der Schlossküche genossen: «Alle Gäste sassen an einem langen Tisch und haben zusammen gegessen.» Detail am Rande: Kocht Silvio auf dem Schloss, wird’s heiss: Gleich dreimal ging während des Abends der Feueralarm los.
Chez Sydney & Timon. Weitere Gastköche werden erwartet, darunter Stars wie Tanja Grandits, Pascal Steffen und Andreas Caminada. Aber auch ohne Star in der Küche geht’s den Gästen gut: Die Quereinsteiger Timon Wolf und Rafael Hug kochen mit Leidenschaft. Und vorzugsweise mit Produkten vom eigenen Bauernhof. Ihr «Feelgood»-Menü? Kalbszungen-Röllchen mit Senfsaat und Sauce Gribiche zur Begrüssung. Ein raffinierter Fenchel-Apfelsalat, Cappelletti mit Tête de Moine und Zwiebeln in der Füllung und etwas süssem Koji-Butter. Und ein wunderbarer Hauptgang: Hackbraten, Kartoffelstock, ein tiefer Jus aus ziemlich vielen Knochen. Dass der Stall nahe ist, war nicht zu übersehen: Heuglacé auf der Wildkräuter-Granita. Sydney Karolewski (zuvor GaultMillau-Bloggerin) ist die umsichtige, diskrete Gastgeberin, entkorkt vorzugsweise «The Living Circle»-Weine: Kerner 2023 und Ascona Riserva 2019 von der Cantina alla Maggia.
Muni, Mutterkühe & «Tschuppi». Zum «Private Retreat» gehört ein Bauernhof, und was hier Programm ist, entnimmt man dem Logo auf der Jacke des erfahrenen Bauers Florian Wenger: Beef.ch. Heisst: Wenger steht für Mutterkuhhaltung, und der Bestimmungszweck seines Simmentaler Rindviehs ist klar: Naturabeef, Fleisch von hervorragender Qualität. Die Tiere sind draussen unterwegs, fressen natürliches Futter, vor allem Gras und Heu. In den modernen, übrigens blitzsauberen Stall werden sie nur im Winter gebracht, Und zum Gebären. Zur Herde gehören vier kräftige Muni (Wenger: «Aber nicht alle sind im Einsatz»), eigene Herdenschutzhunde schützen sie vor Luchs und Wolf. Wie schützt sich der Mensch, wenn die Mutterkühe aufgeregt und angriffig sind? Florian Wenger, gerne mit seinem freundlichen Bauernhund «Tschuppi» unterwegs, empfiehlt: «Auf Sonnenbrillen und Fotoapparate sind sie allergisch. Radfahrer sollten besser vom Velo steigen und ganz ruhig vorbeigehen.»
24 Stunden Privacy auf dem «Schlössli». Jürg Schmid, VR-Präsident von «The Living Circle»: «Wir sind Selbstversorger. Der Strom kommt von unseren Solardächern, das Wasser aus eigener Quelle, das Holz aus unseren Wäldern, das Fleisch und demnächst auch das Gemüse vom eigenen Bauernbetrieb. Nur das Wifi kommt von der Swisscom.» 14 Zimmer und Suiten stehen in zwei Gebäuden zur Verfügung, hell und elegant eingerichtet, mit massangefertigten Möbeln und handgemalten Tapeten. Wer entspannen will, steigt runter in den kleinen, feinen Spa: Sauna, Dampfbad, Yoga-Deck mit Blick über Wälder und Weiden. «Die letzte Wildheit der Schweiz», sagt Jürg Schmid zur einmaligen Umgebung. Die Gäste werden rund um die Uhr verwöhnt: Gitzi-Pastete und Trockenwurst zur Begrüssung in der Bibliothek mit loderndem Kaminfeuer. Wunderbares Abendmenü am herrschaftlich-langem Tisch im «Le Grand Salon». Einladendes Frühstücksbuffet mit selbstgebackenem Brot. Bei den rassigen «Tête de moine»-Würsten haben wir zweimal zugegriffen.
>> Das komplette «Château de Raymontpierre» mit allen Zimmern und für bis zu 28 Personen kann ab 6790 CHF pro Nacht gebucht werden. Die «Gourmet Retreats» mit Starchefs kosten pro Person inkl. Übernachtung ab 450 CHF.
Die Termine: Rebecca Clopath (29.8.-2.9.), Pascal Steffen (29./30.9.), Luis Zuzarte (19./20.10.), Andreas Caminada (27./28.10).
www.chateauderaymontpierre.ch
Fotos: Digitale Massarbeit, Thomas Egli, Olivia Pulver, Thomas Buchwalder, HO