Fotos: Thomas Buchwalder
Spargel-Hollandaise, Hollandaise-Eis. Spargeln mit Hollandaise? Machen viele. Aber kaum einer so raffiniert-genial wie Rolf Fliegauf, seit vielen Jahren Starchef im «Giardino» und Aushängeschild des munteren Ferienresorts. Fliegauf beschaffte sich den ersten Badischen Spargel der Saison, verarbeitete ihn ganz klassisch und mit einer Pinienkernenöl-Vinaigrette zu einem Spargelsalat. Der Hammer kam obendrauf: Eine extrem reduzierte, fermentierte Spargel-Hollandaise, dazu ein Hollandaise-Eis in einer sehr angenehmen Temperatur. Schüttelt ein altgedienter Profi eine derart raffinierte Kombination einfach so aus dem Ärmel? «Nein», sagt 18-Punktechef Fliegauf, «es brauchte 40 Versuche, bis es endlich klappte.» Wir applaudierten heftig und notierten: «Zur Nachahmung nicht empfohlen!»
Giovannis Seeforelle, sechs Kilo schwer. Fliegauf ist ein Freund des gepflegten Vorspiels. Seine Starters sind immer viel mehr als ein routinierter «Gruss aus der Küche». Sie sind seine Visitenkarte - und Weckruf für alle: Die Brigade muss bereits fürs erste Tellerchen voll da sein, der Gast auch, wenn er eintauchen will in die verblüffende Ecco-Welt. Bei der grossen Spargel-Nummer blieb es nicht: Kult-Fischer Giovanni Palmieri hatte eine sechs Kilo schwere Seeforelle aus dem Maggiore geholt und im «Giardino» abgeliefert, wir waren die Nutzniesser, kriegten ein Stück davon mit typischem Fliegauf-Tuning: Crème fraîche und gehobeltem Meerrettich. Frisch & höllisch scharf zugleich. Passt zur «Ecco»-Küche. Verblüffend auch die Kalbskopf-Praline (Zunge & Backe), serviert auf einem Jalapeño-Macaron und einer Kohlrabi-Scheibe.
Wiedersehen macht Freude. Fliegauf mag Kaisergranat und bereitet ihn meisterhaft zu. Der südafrikanische Krebs hat das nur mit guten Beziehungen erhältliche Rolls-Royce-Kaliber (3/6), ist (selbstverständlich) knackig-perfekt gebraten, und die Krustentier-Bisque dazu hat «Feuer»: XO, eine umami-intensive Meerfrüchtesauce mit etwas «Knobli», ursprünglich die Geheimwaffe der Köche in Hongkong. Vor Fliegaufs Kreativitätschüben ist auch der Brüggli-Bachsaibling nicht sicher. Wir kriegen ihn mit knuspriger Haut, Meerrettich und ungewohnter Sauerkraut-Vinaigrette. Und die kleinen Würfel unter dem zarten, leuchtend-rosa Fisch? Eisbein! «Zwischendurch muss ich mal die Fahne der Heimat hochhalten», schmunzelt der Chef.
Wagyu-Bäggli, PX-Sauce. Das Lamm stammt diesmal aus dem Appenzellischen. Vadouvan gibt es dazu und vor allem schöne dicke Morcheln. Von der Sauce kriegt man kaum genug, weil noch kleine, geduldig geschmorte Würfel von der Lammschulter drin sind. Vom spanischen Wagyu gibt es das angenehm kompakte Bäckchen, 36 Stunden lang geschmort, mit PX-Sauce (Pedro Ximénez, alter Balsamico-Sherryessig) und geräuchertem Kartoffelschaum. Die Berner Jumi-Boys liefern den Käse («Aberot»), die Pâtisserie glänzt mit einer erfrischenden, sehr fotogenen Variation von grünem Apfel auf einer Frischkäse-Mousse.
Fragen Sie Theresa! Das «Ecco» ist nicht nur Spitzenrestaurant, sondern auch Talentschuppen. Entdeckung diesmal: Die junge Sommelière Theresa Windhofer aus der Steiermark. Beste Combo an diesem Abend: «Quintaluna 2020», ein frischer Verdejo aus Spanien, der perfekt zu Fliegaufs Spargelshow passte. Teil der Show ist auch das Restaurant selbst: Man schlemmt am Seerosenteich, bestaunt die Koj-Fische, grüsst den Vollmond, trinkt den Wein aus hauchdünnen Zalto-Gläsern. Romantik pur, kein Vergleich mit dem fensterlosen Raum in der «Filiale» St. Moritz-Champfer.
Fotos: Gerrit Meier, Fabian Häfeli, HO