Fotos: Nik Hunger

HIER KOCHTE DER CHRÜTER OSKI. Der Landgasthof Drei Könige mitten in Entlebuch hat eine lange Geschichte, die verpflichtet: Seit 500 Jahren kehren hier an der Verbindungsachse zwischen Luzern und Bern Reisende ein. Und hier wirkte von 1974 bis 1985 ein Pionier der Natur-Küche: der legendäre Oskar Marti alias Chrüter Oski. Dieses grosse geistige Erbe führt nun Küchenchef Manuele Mazzotta mit Leidenschaft in die Zukunft. Im historischen Haus hat er eine Doppelaufgabe inne: das Fine-Dining-Restaurant «Kaspar» im historischen Saal und die Pizzeria da Schibi, benannt nach dem Politiker und Heeresführer der Religionskriege Christian Schybi. Grosses Bild oben: Manuele Mazzotta (r.) und Souschef Nico Fischer.

Drei Koenige Entlebuch, Mauele Mazzotta, Gruss aus der Küche

Gruss aus der Küche: Brioche, mit Asche geschwärzt, Alpbutter, Erbsen-Schwamm.

Drei Koenige Entlebuch, Manuele Mazzotta

Durchs historische Haus weht ein frischer Wind.

Drei Koenige Entlebuch, Manuele Mazzotta, Wasserbüffel Kürbis

Spezialität im «Drei Könige»: Wasserbüffel geschmort und als Praline.

DEN HEIMVORTEIL NUTZEN. Mit seinem kulinarischen Konzept «Brutal lokal» hat Mazzotta einen einmaligen Standortvorteil: das Entlebuch mit seiner Biosphäre, die seit 2001 unter Unesco-Schutz steht. Die idyllische Landschaft ist ein Füllhorn für feinste Produkte. Zwischen den grünen Hügelzügen weiden aller Art Wiederkäuer, die bestes Fleisch und vorzüglichen Käse liefern, es gedeiht üppig Obst und Gemüse. Forellen wachsen im Quellwasser auf. Manuele Mazzotta bringt das alles mit viel Fantasie und Geschick auf den Teller. «Für einen Koch ist das hier das Paradies», meint der junge, hochmotivierte Chef mit süditalienischen Wurzeln. Sein Handwerk lernte er im «Ochsen» in Littau bei Roland Haldi, war später in der «Krone» in Blatten LU tätig, später im Seehotel Kastanienbaum LU und im «Spannort» in Engelberg OW. «Auf allen Kinderfotos habe ich einen Löffel oder eine Kelle in der Hand, ich wollte nie etwas anderes werden als Koch», erzählt Mazzotta. Ihm zur Seite steht Nico Fischer als Souschef und Patissier. Die zwei harmonieren. «Nico war mein erster Lehrling in der Krone Blatten. Danach ging er ins Kempinski in Engelberg, absolvierte dann die Patissier-Ausbildung in der renommierten Schule Ferrandi in Paris. Jetzt gehört er zur Drei-Könige-Familie!»

START IN DIE BIOSPHÄRE. Das «Drei Könige» ist der ideale Ausgangpunkt für Ausflüge in die Biosphäre Entlebuch. Das Hotel mit den neu renovierten Zimmern liegt im Herzen der geschützten Landschaft. Es gehört zur Gruppe Sinnvoll Gastro aus Kriens LU als einer von 15 originellen und individuell geführten Betriebe in der Innerschweiz. Die beste Einstimmung auf das Naturerlebnis bietet das Menü «Kulinarische Reise durch die Biosphäre», an dem Manuele Mazzotta seit seinem Start im «Drei Könige» vor einem Jahr feilt und tüftelt. Jeder der fünf Gänge ist eine Hommage an Aromen und Bodenschätzen der Landschaft. Von der Napfbutter im Amuse-bouche bis zum Bio-Apfel einer alten Hochstammsorte im Dessert. Fisch, Fleisch und Käse dazwischen stammen natürlich aus nächster Umgebung. Wie viel Aufwand Mazzotta und sein Team in jeden der fünf Gänge stecken, ist verblüffend. Der Preis von 95 Franken ebenso.

Drei Koenige Entlebuch, Manuele Mazzotta, Wasserbüffelfarm mit Vater Bruno uns Sohn Lars Renggli, Marbach

Kennen keinen Stress: die Wasserbüffel vom Hof Schufelbühl in Marbach LU.

DREISSIG 700 KILO SCHWERE TIERE. Eine Exklusivität im Menu ist der Hauptgang: Wasserbüffel, 48 Stunden geschmort und als frittierte Praline aus gezupftem Fleisch. Das Fleisch stammt vom Hof Schufelbühl in Marbach LU. Seit 15 Jahren werden hier Wasserbüffel in Mutterkuhhaltung aufgezogen. Bruno Renggli, 63, hatte einst von hiesigen Kühen auf Wasserbüffel umgestellt, heute führt sein Sohn Lars, 33, den Hof mit 24 Hektaren arrondiertem Weideland. Dreissig der riesigen, schwarzen, über 700 Kilo schweren Kühe weiden hier mit ihren Kälbern und Rindern, produziert wird Milch und Fleisch. Beides gilt als sehr gesund. «Wasserbüffel geben nur ein Drittel so viel Milch, verglichen mit unseren Kuhrassen», erklärt Bruno Renggli, «die Milch ist weisser, feiner, etwas süsslich, mit doppeltem Fettanteil. Das Fleisch hat nur die Hälfte Cholesterin und einen fünfzigfachen Eisengehalt.» Wasserbüffel seien an sich anders als unsere Kühe. «Sie machen alles dreimal langsamer, laufen, fressen, baden. Es sind richtige Gemütsmoren. Aber auch stur. Antreiben kann man sie nicht. Wenn sie sich gedrängt fühlen, brünzeln sie und legen sich in die Lache, bleiben stocksteif. Dann geht gar nix mehr», erzählt der Bauer.

SPA FÜR DIE WASSERBÜFFEL. Die Gelassenheit der Tiere scheint auf die Halter abzufärben, auf dem Hof Schufelbühl herrscht eine fast Zen-mässige Ruhe und Harmonie. Er nennt die Kühe liebevoll «unsere Ladies». In einer Ecke der Wiese ist für die Damen ein «Spa» eingerichtet; baden und suhlen lieben sie. «Schlamm schützt sie vor Hitze, Sonne und Insekten. Manchmal schauen im Bad nur ein Dutzend Nüstern und Hörner aus dem Wasser, oder sie parkieren ihre schweren Schädel am Bassinrand und dümpeln stundenlang im Bad.» An Land wühlen sie mit ihren mächtigen Hörnern den Boden auf und wälzen sich im Erdreich. Reparaturarbeiten an Zäunen und im Stall fallen täglich an. Das kostet Zeit und Geld. «Dafür können wir uns den Tierarzt sparen. Die Tiere sind sehr robust, ihnen ist richtig wohl im Entlebuch. Und wir haben viel gelernt von den Schangnauern, die schon vor dreissig Jahren mit Wasserbüffeln in der Schweiz starteten. Sie waren die Pioniere, wir sind nur Nachahmer», meint Bruno Renggli und tätschelt einen schwarzen, breiten Wasserbüffel-Hintern von SUV-Ausmassen.

Drei Koenige Entlebuch, Manuele Mazzotta, Metzger Giger

Metzger Willi Giger öffnet seine Schatzkammer, die Kalträucherkammer.

STOLZ AUF DIE KALTRÄUCHERKAMMER. Den Rohschinken für die Vorspeise mit Ei und Kartoffel findet Mazzotta einen Steinwurf entfernt. Vis-à-vis des «Drei Könige» fertigt Familie Giger diese und viele weitere Fleischspezialitäten. Eben hat die Metzg für den Rohschinken eine Goldmedaille gewonnen. Willi Giger zeigt stolz seine Kalträucherkammer und erwähnt, dass seine Rohschinken 154 Tage reifen. Vreni Giger sucht derweil im Laden hinter der Theke einen Platz für die neueste Auszeichnung. «Eigentlich ist die Wand schon voll!» Zukunftssorgen haben Gigers nicht, zwei Söhne lernen Metzger. Neben dem «Drei Könige» beliefern sie 17 Gastrobetriebe in der Region. Seit einem Jahr steht neben dem Geschäft ein Fleischautomat voller vakuumierter Delikatessen für Durchreisende und heimische Nachtschwärmer mit Hüngerchen. «Ich habe den Parmaschinken durch Gigers Entlebucher Schinken ersetzt – und ich bin Italiener!», so das höchste Lob von Mazzotta.

ENTLEBUCHER LACHS. ENTLEBUCHER FORELLEN. Nur unwesentlich weiter als die Metzg liegt die Fischzucht Fricon, wo Mazzotta «Entlebucher Lachs» und Forellen bezieht. Fritz und Monika Duss ziehen seit 2012 die Fische in einer Indoor-Anlage mit frischem Quellwasser auf. Die Töchter Cornelia und Monja Duss sind täglich bei den Becken in der ehemaligen Tuchweberei anzutreffen, die Söhne Marcel und Thomas kümmern sich um die Anlage und das Marketing. Vier Tonnen Fisch wachsen hier zur Schlachtreife heran, die Saiblinge sind dann eineinhalb Jahre alt. Sie bekommen Bio-Futter, der Abfall von der Wasserreinigung geht an einen Schafbauer, der damit seine Wiesen düngt. Monja ist die Fisch-Flüsterin des Betriebes, sie hat Wände und Decken der Halle mit Landschaften bemalt («Fische mögen Farben») und spielt ihnen unter Wasser Musik ab, die sie auf YouTube gefunden hat. «Eine Compilation für Aquariumfische! Ich glaube, die Klänge beruhigen auch unsere Fische.» Den «Entlebucher Lachs» verarbeitet Mazzotta mit Sauerkraut und einer Schaumweinsauce zu einem harmonischen, überraschenden Fischgang.

«DIO MIO, CHE BUONO!». Den Pecorino, im Menü mit Baumnüssen und Feige kombiniert, bezieht Mazzotta von EMSCHA, einem Familienbetrieb nur einen halben Kilometer entfernt. EMSCHA steht für Entlebucher Milchschaf. Der Betrieb, 1999 als Familien-GmbH der Hofstetters gegründet, verarbeitet heute 300'000 Liter Schafmilch pro Jahr, die von sieben Lieferanten, sprich 1’000 Schafen stammen. EMSCHA ist die erste Nullenergie-Käserei der Schweiz, das bedeutet, die Photovoltaik-Anlage produziert mindestens so viel Strom, wie verbraucht wird. Neben Milch, Joghurt, Quark, Bioleta (einem regionalen Feta), Raclette- und Salatkäse entsteht hier Pecorino, über den Mazzotta ins Schwärmen gerät. «Ich finde ihn noch besser als den sardischen. Dio mio, che buono!»

www.sinvollgastro.ch/hote-drei-könige
www.sinnvollgastro.ch
www.wasserbüffel-marbach.ch
www.metzgerei-giger.ch
www.friconfisch.ch
www.emscha.ch
 

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