Marco, Sie arbeiten im Winter im «Tschuggen» Arosa. Ihre Familie lebt in Ascona. Wie geht das?
Ich koche von Mittwoch bis Sonntagabend in Arosa. Dann bringen wir die Küche auf Hochglanz, und kurz nach ein Uhr fahre ich mit einem Teil des Teams zurück ins Tessin zu meiner Frau Sara und zu meiner Tochter Enola.
Zwei Restaurants aus der höchsten Liga an zwei Orten – geht das auf die Dauer?
Ich bin noch jung, habe viel Freude an meinem Beruf, und meine Frau unterstützt mich dabei. Also fahre ich halt noch ein Weilchen hin und her. Der Montag gehört dann meiner Tochter; ich schaue dann auch praktisch nie aufs Handy.
Immerhin fahren Sie luxuriös: Sie sind Markenbotschafter von Mercedes-Benz und sind gut motorisiert.
Dass ich Markenbotschafter werden durfte, war der zweite Höhepunkt des letzten Jahres. Mercedes hat immer wieder Superideen, und zu den anderen Köchen im Team habe ich einen sehr guten Draht.
Der eigentliche Höhepunkt des Jahres?
Ganz klar der 19. Punkt und die Auszeichnung GaultMillau «Koch des Jahres», die ich im Eden Roc Ascona gekriegt habe. Der heftigste Moment war während der Zeremonie. Wir warteten auf unseren Auftritt auf der Bühne, aber einer meiner Köche hat sein Handy gecheckt. Da war die Breaking News schon drauf. Wir haben uns alle umarmt und losgeheult. Ein unglaublich emotionaler Moment!
Wie waren die Reaktionen?
Gewaltig. Dutzende von WhatApps, SMS und Mails, von Gästen, aber auch von Kollegen.
Auch von der Konkurrenz? Es hat noch andere grosse Köche im Tessin.
Rolf Fliegauf hat mir sofort geschrieben. Hat mich sehr gefreut, ich konnte ja auch sehr viel von ihm lernen, als ich bei ihm gearbeitet habe.
Sie sind ein Star. Und trotzdem ein Teamplayer.
Sechs Köpfe sind besser als einer! Wir besprechen alles im Team, jeder kann Vorschläge einbringen, und wenn es zu unserem Konzept passt, setzen wir die Idee um. In den Ferien zwischen Sommer- und Wintersaison machen wir einen Facetime-Call, besprechen das Menü. Das hat sich bewährt.
Erfolgreiche Köche haben weniger Mitarbeitersorgen. Da melden sich viele Bewerber.
Wir haben kaum Wechsel in der Brigade. Zieht einer weiter, was völlig okay ist, finden wir Ersatz. Der Neue muss nicht zwingend aus der Sterneküche kommen. Aber er muss zwingend zu uns passen.
Sie gehen «all in». Ihre Starters sind bereits Kunstwerke, Sie legen ein klassisches Menü auf und dazu noch einen veganen Achtgänger. Ich staune, dass Sie das mit nur sechs Köchen in dieser Perfektion hinkriegen.
Wir stossen an Grenzen, vor allem dann, wenn die Gäste zwischen den beiden Menüs hin und her surfen, was ja eigentlich völlig okay ist. Ich gehe davon aus, dass der Ansturm wegen der «Koch des Jahres»-Auszeichnung noch grösser wird. Deshalb wünsche ich mir einen siebten Koch in der Brigade. Wir wollen uns ja nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Wir wollen noch mehr Gas geben!
Sie reisen in den Ferien viel, nach Japan, auf die Seychellen. Und 2025 steht Korea auf dem Programm!
Seychellen waren Familienferien, und es war grossartig. Aber nach Japan und Korea fliege ich auch, weil ich mich weiterbilden will. Von meinen Japan-Ferien habe ich stark profitiert.
Aber warum Südkorea?
Ich verfolge die koreanische Küche auf Netflix, und etwas erstaunt mich: Wir arbeiten oft tagelang an unseren Saucen und Reduktionen. Die Koreaner schmeissen alles in einen grossen Topf, lassen es köcheln, und das Ergebnis ist grossartig. Das will ich mal mit eigenen Augen sehen. Und wie immer: Frau und Tochter fliegen mit, wir planen eine dreiwöchige Rundreise.
Was war 2024 Ihr «Gericht des Jahres»?
Short-Rib aus Ennetbürgen, mit einer dünnen Tranche Wagyu-Fleisch von einem Tier aus der Magadino-Ebene drüber. Für die BBQ-Crème dazu haben wir zwei Tage lang gearbeitet.
Wo wollen Sie 2025 unbedingt essen gehen?
Zu Silvio Germann in den «Mammertsberg» und zu Benoît Carcenat nach Rougemont. Zwei wunderbare Kollegen.
>> Marco Campanella ist GaultMillaus «Koch des Jahres 2025». Er arbeitet im Sommer im «Eden Roc» Ascona und eroberte dort den 19. Punkt. Im Winter kocht er im Swiss Deluxe Hotel «Tschuggen» Arosa. Hier steht der aktuelle Testbericht noch aus. Michelin zeichnet seine beiden «La Brezza»-Restaurants mit je zwei Sternen aus.
www.edenroc.ch
www.tschuggen.ch
Fotos: Joan Minder, Roy Matter, Adrian Bretscher, Urs Homberger