Text: Anita Lehmeier | Fotos: Véronique Hoegger

Hausbesuch bei Ellenbergers. «Emily, Liebling, wo ist der Spritzbeutel?» Seit Emily Rasl, 24, vor Kurzem bei Joël Ellenberger, 30, eingezogen ist, herrscht in der Küche eine andere Ordnung. Ihre Ordnung. «Die basiert viel mehr auf Logik und Pragmatismus als meine, die eher intuitiv funktioniert. Darum haben wir uns betreffend, was wo verräumt wird, auf ihr System geeinigt. Wir sind ja beide in der Küche anzutreffen – ich beim Kochen, Emily beim Backen. Ich koche täglich für uns beide, natürlich nicht so aufwendig wie im «Igniv». Pinzetten gibts in dieser Küche hier keine, aber es steckt genauso viel Liebe und Hingabe drin. Ich koche halt einfach leidenschaftlich gern, es macht mich glücklich», sagt Joël. Emily kümmert sich um den Wein, geht Joël zur Hand, räumt zwischendurch auf. Nur das mächtige Messer von Marco Guldimann ist für sie tabu, das benutzt, putzt und versorgt Joël immer höchstpersönlich. Noch ist das teure Unikat in der Einarbeitungsphase. Nach vier Wochen im Gebrauch analysiert Messermeister Guldimann das Werkzeug in seiner Manufaktur und verpasst ihm den letzten individuellen Schliff für Joëls Handhabe. Grosses Bild oben: Joël Ellenberger und Emily Rasl beim Blätterteig-Bestreichen und Kochen.

JoA<<l Ellenberger, Igniv Bad Ragaz

Im stilvoll renovierten Altbau, den Joël und Emily bewohnen, bilden Ess-, Wohnzimmer und Küche eine harmonische Einheit.

Der Vermieter heisst Caminada. Das Paar bewohnt eine gemütliche Hochparterrewohnung in Chur, ein sanft und umsichtig renovierter Altbau. Ihre Vermieter sind auch Joëls Arbeitgeber: Sarah und Andreas Caminada haben das vormals baufällige Haus nahe beim Bahnhof gekauft, viel Energie, Zeit und Geld reingesteckt und mit der ihnen eigenen Sorgfalt und Stilsicherheit daraus ein Bijou gemacht. Originalelemente wie Klinkerböden, Wandfüllungen und Fischgrätparkett sind mit moderner, luftiger Raumaufteilung und hellen Farben kombiniert. Und natürlich lässt die offene Küche mit den hochwertigen Geräten von V-Zug auch für einen Profi kaum Wünsche offen. Als die Caminadas Joël vor rund einem Jahr fragten, ob er sich hier niederlassen möchte, musste der nicht lange nachdenken. Die Wohnung ist zauberhaft, die Veranda mit den Jugendstil-Elementen und der Garten mit den alten Obstbäumen muten beide traumhaft an, wahrlich paradiesisch. Der Arbeitsweg nach Bad Ragaz mit rund 20 Kilometern ist auch keine grosse Sache. Genauso gut erreichbar ist Fürstenau, wo sich Joël regelmässig mit Andreas Caminada trifft.

Boeuf Stroganoff Pommes Darphin

Soulfood: «Stroganoff» mit Dauphinekartoffeln.

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Das Messer von Marco Guldimann ist für Emily tabu.

Galette de Rois

«Galette de Rois»: Mandelmasse in Blätterteig.

Gefunkt hat’s bei «Fall in Love». Joël und Emily haben sich vor zweieinhalb Jahren kennengelernt, im «Igniv» in Bad Ragaz. Also Liebesfalle Arbeitsplatz? Nix da, das verbaten sich die beiden Vollprofis. Erst als Emily gekündigt hatte, liessen die beiden Gefühle und Schmetterlinge im Bauch zu. Gefunkt hat's dann am Genussmarkt im Schloss Schauenstein mit dem sinnigen Motto «Fall in Love». «Das hat sich für uns bewahrheitet», sagt Emily.

 

Der Start: Stress. Glanz. Hierarchie. Der Kochberuf wurde Joël nicht in die Wiege gelegt, sein Vater ist Ingenieur, seine Mutter Grafikerin, sein jüngerer Bruder studiert Medizin. Ihm war schon früh klar, dass es die Gastronomie ist, wo er hinwill. «Wir machten mit den Grosseltern oft Ferien in tollen, grossen Hotels. Diese Welt hat mich stets fasziniert. Meine Lehre machte ich im ‹Radisson Blu› am Flughafen Zürich mit dem klaren Ziel, gleich nach der Lehre ins ‹Baur au Lac› zu gehen. Ich wurde tatsächlich genommen und kam in den neuen Pavillon zu Laurent Eperon. Ich mochte alles da: den Stress, den Glanz, den rauen Ton, die Hierarchie. Die strenge Führung tat mir gut, als Jugendlicher war ich ein ‹Schwieriger›. Doch ich wusste, ich will in Sterneküchen arbeiten, will meinen Ehrgeiz ausleben, an der Spitze mitmachen», erzählt Ellenberger.
 

JoA<<l Ellenberger, Igniv Bad Ragaz

Frühreif: Mit 28 Jahren hat der Zürcher Joël Ellenberger im «Igniv» in Bad Ragaz schon 17 Punkte. 

JoA<<l Ellenberger, Igniv Bad Ragaz

Quartett zum Satt- und Glücklichwerden: selbstgemachtes Brot, Belper Knolle, Reh-Carpaccio & Butter.

Die Oma mag keine Tattoos. Ellenberger lernte Nenad Mlinarevic kennen, der in der Nachbarschaft seine «Bauernschänke» führte, und bat den Starchef, bei ihm zu essen und seine ehrliche Meinung abzugeben. Nenad kam, ass und empfahl seinem jungen Kollegen, sich bei Andreas Caminada und Sven Wassmer zu bewerben. Nach einem Probetag bei Andreas Caminada war die Sache klar: Joël gehörte zum Team Schloss Schauenstein. «Andreas brachte meine Begeisterung fürs Kochen nochmals auf ein höheres Level», schwärmt Joël. Er wird im Schloss Souschef. Und bekommt von seinem Mentor Andreas Caminada das Angebot, Silvio Germanns Nachfolge im «Igniv» in Bad Ragaz anzutreten. Unerschrocken sagt er zu, holt sich in den zwei Jahren im Swiss Deluxe Resort 17 Punkte und bringt mit seiner Handschrift immer mehr Ellenberger-Style ins «Igniv»-Konzept. Auffallend am persönlichen Stil von Joël sind seine blanken Arme. Anders als viele seiner Berufs- und Alterskollegen ist er nicht tätowiert. Wenigstens nicht sichtbar. «Auch nicht versteckt», meint er lachend. «Meine Oma, die mich seit meiner Kindheit geprägt und beeindruckt hat, ist Japanerin. Sie würde ein Tattoo bei mir nie gutheissen.»

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