Fotos: Roy Matter
Der «Call from Mike». Die Partys der Filmstars, als der Bürgenstock noch eine Dependance der Hollywood Hills und der French Riviera war, sind legendär. Den Geist dieser rauschenden Feste lässt Mike Wehrle, Corporate Culinary Director seit der Wiedereröffnung des Luxusresort 2018 neu aufleben: «Chef’s United» heisst der kulinarische Event; Wehrle lädt dazu seine kochenden Freunde aus aller Welt in die Innerschweiz ein. Der weitgereiste Chef ist in der Branche so gut vernetzt, dass die exklusive «Küchenparty» bereits zum fünften Mal stattfinden konnte, mit hochdekorierten Köchen aus Frankreich, Deutschland und England. Natürlich sei eine Einladung auf den Bürgenstock ein guter Grund, den eigenen Herd mal zu verlassen, betonen die Chefs auf Nachfrage. Noch mehr Motivation, um als «Gastarbeiter» an den Vierwaldstättersee zu reisen, sei allerdings die Freundschaft mit Wehrle. Einem «Call from Mike» folge man immer gern, betont der Brite Matthew Marshall vom Royal Automobil Club in London, der Gast-Chef mit der längsten Anreise. Bild oben: Mike Wehrle (Mitte) mit seinen Friends und allen Köchen im Lakeview-Ballsaal.
EIN FEST FÜR ALLE. Feierten einst die VIPs von Connery, Chaplin über Carter und Kissinger bis Sophia und Audrey strikt unter Ausschluss der Öffentlichkeit, sind die Bürgenstock-Partys von MC (Master of Ceremony) Mike Wehrle offen fürs (zahlende) Publikum. Im Pauschalpreis von 285 Franken waren alle sechs Stationen der Gast-Chefs, das Dessertbüffet von Meister-Pâtissier Damián Carini, die «Flying Appetizers» von Gastgeber Mike Wehrle, Amuse-bouches von Oona Alpenkaviar bis Lardo von Molinari Sempione sowie alle Getränke von Champagner über Weine bis Kaffee dabei. 350 Gäste, darunter viele Wiederholungstäter von «Chef’s United» und Stammgäste des Hauses, waren auf den Nobel-Hügel gepilgert und feierten bis lange nach Dinner-Party-Ende in der Hotelbar weiter. Am meisten Ausdauer bewiesen einige der Chefs, die bis fünf Uhr in der Früh ihren Feierabend genossen und Freundschaft pflegten.
HANDGETAUCHTE JAKOBSMUSCHELN. Gleich nach dem Startschuss zum Self-Service-Dinner bildete sich – very british - eine sehr ordentliche Schlange vor Matthew Marshalls Station. Der Londoner hatte eine mit den handgetauchten Orkney-Jakobsmuscheln eine Exklusivität mitgebracht. Dazu lieferte das Topping von Oona Osietra-Kaviar einen kleinen feinen Schweizer Beitrag. Mit einem gegarten Saiblingsfilet an Sauerkraut und Senfgurke punktete die einzige She-Chef des Abends, Alina Meissner-Bebrout vom «Bibraud» in Ulm.
«DIE SEEZUNGE SPRACH FRANZÖSISCH.» «Seezunge am Ostseestrand» hiess poetisch die Kreation von Christian Scharrer vom Traumresort «Weissenhaus» in Wangels. Zum pochierten Edelfisch aus dem Atlantik («die Seezunge sprach französisch») gabs vom Zwei-Sterne-Chef Kartoffelpurée mit Bouillabaisse-Reduktion, Rouille-Perlen und Algen. Scharrer kannte den alten Bürgenstock der Ära Frey, die 900 Kilometer Landweg von Wangels nahe Dänemark nach Obbürgen waren für ihn Ehrensache. Der angekündigte Stargast-Starchef Emmanuel Renaut vom «Flocons de Sel» in Megève musste zuhause das Bett hüten, sein Souschef Léo Pfauwadel wirbelte den als Risotto zubereiteten Kohlrabi mit Trüffel und Beaufort-Käse tadellos hin. Ebenfalls vegetarisch verwöhnte Philipp Heid (Seegut Zeppelin & Hotel Maier, Friedrichshafen) die Gäste, mit einem Kürbis-Linsensalat mit Bio-Onsenei. Mike Wehrle lobte Heids Restaurant mit der Gemüse-dominierten Küche als seine «Lieblingsraststätte auf dem Weg vom Vierwaldstättersee in meine Heimat, dem Schwarzwald».
Dräckloch-Käse & Carini-Buffet. Ganz der Fleischeslust verschrieben hatten sich zum «Chef’s United» die Kollegen aus der Bürgenstock-Gruppe: Andreas Haseloh vom «Schweizerhof» Bern servierte Luma Beef Ibercio-Entrecôte auf Eismeerkrabbe mit Romanesco-Sauce, Rührei und wildem Broccoli. An der Station von Ludovic Douteau vom «Royal Savoy», Lausanne, warteten geschmorte Wildschweinbäckchen unter einem grünen Raviolo-Deckel. Maitre Fromager Rolf Beeler hatte seinen Favoriten von der Alp Dräckloch im Gepäck und den «weltbesten» Sbrinz, vor sechs Jahren verkäst von Res Gut auf der Alp Chieneren. Und zum magischen Finale hatte Damián Carini, GaultMillaus Pâtissier des Jahres 2024, mit seinem neunköpfigen Team ein Dessert-Buffet aufgebaut, das alle Anwesenden in kleine Kinder verwandelte, mit Augen grösser als der Magen.
Walliser unter sich. Erstmals stieg die «Chef’s United»-Party im Lakeview-Ballroom, der nachts einen märchenhaften Blick über die Leuchtenstadt erlaubt. Zum Auftakt des Abends stellte Moderator Sven Epiney die Chefs vor und plauderte mit Chris Franzen, seit April Managing Director im Bürgenstock und Gastgeber des Abends – natürlich in Walliser Dialekt, der gemeinsamen Mundart von Hotelchef und TV-Liebling. Ob die zarte Bewölkung im Ballsaal, die sich im Laufe des langen Abends zusammenbraute, von den vielen Tanzpaaren ausging, die zum Sound der Knights Club Band, abrockten oder doch auf die überforderte Lüftung zurückzuführen war? Es scherte niemanden. Die 350 Gäste waren glückliche. Und satt.