Fotos: Andres Stoos
Markus Arnold, Sie waren gerade zehn Tage auf einer kulinarischen Reise in Peru. Welche unterwartete Erkenntnis hat Sie überrascht?
Vor 15 Jahren war ich zum letzten Mal während eines Zwischenstopps in Lima, vom Besuch der Stadt hat man mir damals abgeraten. Jetzt gibt es in manchen Viertel zahllose hervorragende Restaurants, Hipster-Cafés und alles ist in Gehdistanz zu erreichen. Auch das ehemalige Fischer-Dorf Barranco ist ein kulinarischer Hotspot geworden.
Ceviche und Tiraditos: «Steinhalle»-Chef Markus Arnold beim Lunch im legendären «La Mar» in Lima.
Erklären Sie uns Daheimgebliebenen: Was macht die peruanische Küche aus?
Ich war täglich in zwei Restaurants essen, das war zwar ziemlich anstrengend, aber sehr interessant. Eine wichtige Rolle spielen in Peru die eigenen Produkte wie Kartoffeln oder Kakao-Bohnen. Es wird viel Aufwand betrieben, diese zu inszenieren. Aber nur wenige Restaurants schaffen es auch, die Zutaten so zu verarbeiten, dass einem die Gerichte in Erinnerung bleiben. Mir scheint, dass oft zu viel Aufwand betrieben wird, der sich nicht im Geschmack niederschlägt. Beeindrucken zu sehen, war aber die Dynamik der Szene, wie ganze Dörfer mit ihren Produkten in die Menüs integriert werden, habe ich so noch nicht gesehen. Das schlägt sich auf den Preis nieder, die Menüs sind sehr teuer, vor allem Touristen können sich das leisten.
Was haben Sie daraus gelernt?
Zwei Dinge: Ich habe lieber Stammgäste als Touristen, das scheint mir wirtschaftlich sinnvoller. Die andere wertvolle Lektion für mich als Koch war wieder einmal, dass der Geschmack wichtiger ist als die Inszenierung eines Gerichts.
Zutaten aus dem Amazonas-Gebiet: Welt der Schokolade im Testlabor der Casa Tupac.
Nose to Tail mit Kakao-Früchten: Privat-Audienz bei Chef Nilver.
Ceviche findet sich mittlerweile auch bei uns in vielen Menüs. Welche peruanische Zubereitungsart sollte man ausserdem noch kennen?
Es wird sehr viel fermentiert und getrocknet, das hängt natürlich stark mit der Geschichte des Landes zusammen und der Notwendigkeit, Produkte haltbar zu machen. Aber oft werden diese Techniken zu plakativ eingesetzt. Es hat mich an meine eigene Geschichte als Koch erinnert, zu Beginn der Karriere macht man gern etwas zu viel, mit der Zeit kann man sich besser auf das Wesentliche beschränken.
Welches Erlebnis in Peru ist unvergessen?
In Cusco in den peruanischen Anden hatten wir ein beeindruckendes Essen. Dafür mussten wir erst zwei Stunden fliegen, dann zwei Stunden fahren und erst noch um 9 Uhr da sein. Bevor das Menü um 12 Uhr serviert wird, gibt es eine mehrstündige Führung mit einem Guide, welcher den Gästen alle Details erklärt: Von den autochthonen Kräutern bis hin zu den Stoffen aus Alpacca-Wolle, die vor Ort hergestellt und gefärbt werden. Die Köche in all diesen Restaurants waren hochmotiviert, und dieser Enthusiasmus hat mich angesteckt.
Fest der Sinne: Arnold auf dem Mercado Central de San Pedro in Cusco.
Einkaufstour: getrocknete Zutaten wie Aji Amarillo, Quinoa und getrocknete Maissorten für das Lima-Menü.
Das Produkteangebot in Lima und Peru unterscheidet sich stark von der Schweizer Realität. Warum ist das Land trotzdem interessant für Sie?
Es geht darum, die Quintessenz zu finden und für mich dann später in der Schweiz umzusetzen. Ich habe in Cusco zum Beispiel 20 Kilogramm gelbe Chili gekauft oder roten Amaranth, aber in Bern will ich solche Produkte natürlich in Gerichten mit Fisch und Fleisch aus der Schweiz einsetzen, oder mit Gemüse kombinieren, das bei uns Saison hat.
Sie planen ein Menü unter dem Titel «Lima Highlights», was wird serviert?
90 Prozent des Menüs sind geschrieben, dafür nutze ich immer die Zeit auf den Flügen nach Hause. Ich möchte zum Beispiel etwas mit süsser Passionsfrucht zubereiten und habe schon abgeklärt, ob ich diese in der Schweiz beziehen kann.
Nachtessen im «Morena»: Lomo Saltado, ein Klassiker der peruanischen Küche.
Blüten im Überfluss: kulinarisches Erlebnis im «MIL Centro by Virgilio Martínez».
Funktioniert Inspiration so einfach: Der Koch reist irgendwo hin und kommt voller Ideen zurück?
So einfach ist es nicht. Als ich mit dem Konzept der Themen-Menüs angefangen habe, ist es mir teilweise durchaus schwergefallen von der Inspiration zum Gericht zu gelangen. Mittlerweile habe ich ein gutes Auge für Dinge, die ich umsetzen kann und ein Gespür für Geschmäcker, die für unsere Gäste interessant sind. Es kommt auf die Mischung an zwischen Produkten aus der Schweiz und Dingen, welche die Leute bei uns noch nie gesehen oder gegessen haben.
Selbstversuch in der Weberei: Im «MIL Centro by Virgilio Martínez» werden auch Stoffe selbst hergestellt.
Was ist für Sie als Gastronom auf solchen Reisen interessanter, gute oder enttäuschende Erlebnisse?
Beides ist wichtig. Gerade enttäuschende Erlebnisse sind oft lehrreich, weil sie mir zeigen, was ich nicht machen würde. Diese Erkenntnisse sind entscheidend für meine persönliche Entwicklung als Koch. Es hilft mir, meinen Fokus zu schärfen – etwa darauf, den perfekten Garpunkt zu treffen, anstatt mich auf optischen Schnickschnack ohne geschmacklichen Mehrwert zu konzentrieren. Ich habe kein Interesse daran, ein Gericht einfach nachzukochen. Mich reizt es viel mehr, die Essenz aus dem, was ich sehe und schmecke, aufzunehmen und mit meiner eigenen Handschrift neu zu interpretieren. Jede Erfahrung trägt dazu bei, diese Handschrift zu verfeinern.
>> Ab 13. März 2025 wird in der «Steinhalle» (17 Punkte) in Bern das Menü «Lima Highlights» serviert. Mittags ist das Restaurant eine GaultMillau POP-Adresse (Comfort Food wie Ramen, Burger, Gnocchi), abends werden auf hohem Niveau thematisch wechselnde Menüs serviert.