Fotos: Thomas Buchwalder
«Ich bin kein Vegetarier.» «Ganz ohne Fleisch – das geht im Tessin nicht», sagt Piero Roncoroni, GaultMillaus «Entdeckung des Jahres 2024» und hochbegabter Gemüsekoch. Also kriegen wir im Hauptgang immer etwas Fleisch. Mal Manzo, Perlhuhn und Chüngel, im Frühlig auch mal das erste Gitzi der Saison, eigenwillig flach gepresst, unter einer Panko-Kruste, saftig und ganz ausgezeichnet. Verwertet wird immer das ganze Tier. Ehrensache. Der Chef ist Grossmeister der Gemüseküche, stellt aber klar: «Ich selber bin kein Vegetarier.» Grosses Bild oben: Piero Roncoroni, Terrine mit Lauch, Mandeln und Granatapfel.
Überraschung unter dem Mangoldblatt. Manchmal ist das Amuse-bouche so etwas wie eine Visitenkarte. In der Osteria del Centro starteten wir mit einem schlichten Rüebli ins Menü, mit einem dünnen Streifen von Rüebli-Crème drüber. Agrodolce war mit im Spiel, sorgte für angenehme Säure. Die Tartelette dazu, geformt aus Polenta-Mehl, mit eingelegten Radiesli und mit Löwenzahn-Crème, zeugte von sorgfältiger Pinzettenarbeit. Dann ein erster Aufreger: Ein riesiges Mangoldblatt, darunter Spinat, ein roter Chabis-Salat und ein Chabis-Sorbet; die anfängliche Skepsis wich einer gewissen Begeisterung.
Pieros Kohlrabi-Wellington. Wie geht der Chef mit Artischocken um? Er konfiert sie, füllt den Boden mit Artischockencrème, setzt mit getrocknetem Eigelb, Haselnüssen und schwarzem Trüffel Akzente; selbst der Artischocken-Stengel, der da frech im Teller lag, überzeugte. Wellington geht auch in der Gemüse-Osteria: Im feinen Blätterteig, zubereitet nur mit Olivenöl, steckten Kohlrabi und Champignons, dazu gab es eine rassige Chimichurri-Creme. Fehlte nach unserer Rechnung also nur der in der Gemüseküche wohl unvermeidliche Sellerie. Den kriegten wir, als Semifreddo zum zauberhaft angerichteten Dessert, mit Meringue und Kiwi!
The Place to b. Die Osteria von Mercedes und Piero Roncoroni vor den Toren Luganos ist ein Erfolg. Die sieben Tische im ziemlich alten Haus mitten im Dorf sind fast immer ausgebucht. Die Gäste sind begeistert, auch wenn ihr Mitspracherecht stark eingeschränkt ist. Bestimmen darf man nur die Anzahl der Gänge (fünf oder sieben), alles andere ist dann Chefsache; der junge Tessiner stellt fast jeden Abend ein neues Menü zusammen. Seine Bio-Gemüseküche steht auf sehr solidem Fundament. Tief eingetaucht ins Thema ist er auf seinen Lehr- und Wanderjahren durch die Sterneküche bei Xavier Pellicier in Barcelona, dem besten Gemüsekoch Spaniens. - Bio-Weine, im Sommer Service im Garten. GaultMillau-Ratung: 15 Punkte.
Foto Header: HO
Die GaultMillau-Tester stellen im Auftrag der UBS jede Woche einen «Place to b.» vor: Adressen für den gepflegten Businesslunch, für den Brunch am Wochenende, für ein Essen mit Freunden, für Trendsetter & Entdecker, für Verliebte. Bereits erschienene «Tipps der Woche» finden Sie hier.