Fotos: Adrian Ehrbar
MAXIMALE PUNKTEDICHTE. Für seine erste Hausparty im «Mammertsberg» hat sich der amtierende Koch des Jahres Silvio Germann etwas Besonderes einfallen lassen: Er lud vier seiner Vorgänger im höchsten Ehrenamt ein, gemeinsam zu kochen: Ein Sonntags-Lunch der Luxus-Klasse! Alle haben spontan zugesagt. So versammelten sich letzten Sonntagmittag in der Küche des «Mammertsberg» in Freidorf TG rekordmässig viele Punkte (91), verteilt auf wenige «gekrönte» Häupter (fünf). Diese Dichte war so einmalig, dass auch der Preis von 500 Franken pro Ticket kein Hindernis darstellte: die 50 Plätze waren im Nu ausgebucht. Grosses Bild oben: v.l. Franz Wiget, Stefan Heilemann, Tanja Grandits, Silvio Germann, Mitja Birlo.
Weinbegleitung. Auch am Herd. Dichtestress herrschte auch unter den Starchefs nicht, die grosszügige Küche des «Mammertsberg» bot allen reichlich Platz. Vergnügt Seite an Seite arbeiteten Mitja Birlo, Koch des Jahres 2022 im «7132 Hotel» in Vals mit 18 Punkten, seit letztem November im «The Counter» beim HB Zürich; weiter Stefan Heilemann, Koch des Jahres 2021, vom «Widder» in Zürich mit 18 Punkten; Tanja Grandits vom «Stucki» in Basel mit 19 Punkten, Koch des Jahres 2014 und 2020. Plus Altmeister Franz Wiget, der 35 Jahre lang das «Adelboden» in Steinen SZ geführt hatte, 18 Punkte erreichte, 2012 Koch des Jahres war und jetzt als Pensionär vor allem seine Frau Ruth bekocht. Mittendrin der strahlende Gastgeber Silvio Germann mit seinen 18 Punkten, der seit eineinhalb Jahren seine Wahl-Heimat «Mostindien» kulinarisch adelt. Wie so oft bei Partys herrschte in der Küche eine ausgelassenste Stimmung! Chef de Service und Sommelier Giuseppe Lo Vasco sorgte für steten Refill der Gläser in der Küche, kam fleissig mit den edlen Flaschen aus der Weinbegleitung am Herd vorbei. Übrigens: Auch Starchefs tauschen Kochtipps aus und holen das Urteil der Kollegen beim Saucen-Abschmecken ein.
«Wie schön ist denn diese Hütte!» Vor dem Eintreffen der Starchefs bewies Silvio Germann sein Talent als Handyman, turnte mit Hammer und Nägeln auf der Leiter herum. Wegen der schlechten Wetterprognosen holte das gesamte Team unter Regie des Chefs die Dekoration vom Garten rein ins Trockene. Girlanden und Lichterketten mussten im Garten ab- und drinnen im Saal wieder aufgehängt werden. «Petrus ist definitiv von der Gästeliste gestrichen», meinte Germann angesichts der trüben Aussichten. Mit den ersten Starchefs kam dann auch der Nieselregen, und der nahe Bodensee versank im Dunst. «Wie schön ist denn diese Hütte!», staunte Mitja Birlo beim Anblick des Saals mit der grossen Empore – er war zum ersten Mal im «Mammertsberg» – und stellte sich höflich Franz Wiget vor. Birlo, Jahrgang 1985: «Als du 2012 Koch des Jahres wurdest, war ich noch ein wilder Bengel.» Wiget fand in der Küche seinen alten, japanischen Kohlegrill wieder. «Den hatte ich bei meiner Geschäftsaufgabe an Andreas Caminada verkauft, zusammen mit der Pastamaschine. Jetzt steht der Grill hier im «Mammertsberg», im Dienst von Silvio», freute sich der Altmeister. Er kocht weiterhin, mit viel Freude, aber nur noch für gute Freunde und alte Stammkunden. «Wenn einer anruft und fragt, wo er denn jetzt Coq au vin essen soll, dann mache ich den auf Bestellung gerne», so Wiget. «Ich geniesse es, heute ‹echli lauere› zu können in der Küche, ohne Zeitdruck zu kochen. Und ich freue mich, auch mal dabei zu sein, wenn sich die Jungen treffen.»
VON ENTE ÜBER SBRINZ BIS WAGYU. Um zwölf Uhr erwartete die Gäste auf der Empore oben an der ikonischen Treppe von Star-Architektin Tilla Theus eine weltumspannende Auswahl an Apérohäppchen: Von Tanja Grandits gabs gebeizte Kingfish-Würfel mit Grüntee-Labneh und Shiso-Tempura. Stefan Heilemann hatte knusprige Entenhaut, getrocknete Entenbrust und Spitzkohl zum raffinierten Fingerfood vereint. Mitja Birlo trumpfte mit seinen Bao-Buns samt hauchdünner Scheibe von geschmorter Wagyu-Rinderbrust und Nori-Topping auf. Franz Wiget liess Trüffel-Kugeln mit flüssigem Innern aus Schwyzer Alpsbrinz auftragen. Germann entzückte mit seinen Mammertsberger Cracker, Waffeln im geschwungenen Haus-Logo mit Trüffel-Mayo und Sbrinz-Crème und einem Sellerie-Taco mit Tatar von der alten Kuh. Wiederum inhouse kreiert war die Einstimmung ins Menü, als die Gäste an den grossen Tischen Platz genommen hatten: Rande und Joghurt, Kopfsalat mit Baumnuss und der Publikums-Liebling Kastanien-Gnocchi mit Nussbutter. «Die darf ich nicht von der Karte nehmen, sonst drehen die Stammgäste durch», erklärt Germann die Auswahl seines Auftakt-Trios.
Das Lob der Thai-Köche. Grossen Applaus und vielstimmiges Lob holte Stefan Heilemann dann mit seinen Langoustinen mit Erbsen und Tom-Yum-Sösschen. «Das grösste Lob für mich ist, wenn mir Thai-Köche sagen, mein Tom-Yum sei besser als ihres!», erzählt der «Widder»-Chef. Das Geheimnis dieses Erfolgs? «Ich vermute, weil ich zuerst die klassische französische Art des Kochens gelernt habe und dann Thai-Kitchen obendrauf kam», so der sympathische Chef mit dem Flair für asiatische Kochkunst.
Sonderapplaus für Franz Wiget! Es folgte als Geflügel-Gang eine superbe Wachtel an einer Albuféra-Sauce von Mitja Birlo, die auch Hardcore-Gourmets am Tisch ein «wow» entlockte. Für den Fischgang war dann Franz Wiget dran: mit Steinbutt und üppigem Kaviari-Topping an Château-Chalon-Sauce auf Kartoffelstock, ein Klassiker von Wiget. Und vielleicht der Gang, der den längsten und lautesten Applaus der Gäste erhielt – der Schwyzer holte ihn mit freudig geröteten Backen ab. «Ich bewundere die jungen Chefs heute, die Randen oder Rüebli als Hauptgang in einem Fine-Dining-Menü servieren. Das hätten wir früher nie gewagt. Das hätte auch die Kundschaft nicht goutiert – egal wie viel Arbeit und Aufwand in dem Gemüse heutzutage steckt. Früher mussten es schon Luxus-Produkte sein», erinnert sich Wiget.
Das Dessert von Stephanie Mittler. Von Tanja Grandits und ihrem Fleisch-Meister Marco Böhler folgte zweierlei Kalb: ein Haxen- und ein Rückenstück, butterzart geschmort und gegart, mit Langpfeffer-Jus und Lattich, dazu Kartoffelstock und -chips, mit Schnittlauchpulver hübsch überstäubt. Den Applaus für das Dessert überliess Hausherr Silvio Germann seiner Pâtissière Stephanie Mittler für ihre Kreation aus Himbeeren, Kefir und Malz. Ein Teller, der Auge und Gaumen bezauberte. Bei den Friandises kam dann der Thurgau mit einem Happen von Apfel zum Zug, dazu gabs Cheesecake und Tartelette von der Melone. Als sich die Gäste dann allesamt satt und glücklich vom Tisch erhoben, zeigten sich dann sogar die Sonne und der See. Gastgeber Germann packte nochmals an und trug Kästen mit kühlem Bier durch den Garten. Der junge Chef: «Es war der erste grosse, aber nicht der letzte Event im Mammertsberg, sofern mich meine Freunde dabei wieder unterstützen.»