Text: Daniel Böniger I Fotos: David Biedert

Erfindungsreichtum der Metzger. Die Glut ist noch nicht ready. Und darum serviert Elif Oskan türkischen Kaffee, setzt sich an einen der Tische in ihrem Restaurant Gül. Sie soll erzählen, wie man einen «echten» Schaschlik-Spiess zubereitet. Was man draufstecken kann. Wie man ihn würzt. Und da platzt die junge Starchefin mit türkischen Wurzeln sogleich mit der grossen Enttäuschung heraus: «In der Türkei lieben wir Spiesse zwar sehr - aber sie heissen Schisch!» Und sie mutmasst: Beim sogenannten «Schaschlik-Spiess», der bei uns so oft auf dem Grill landet, handelt es sich wohl weitestgehend um eine Erfindung der hiesigen Metzgerzunft.

 

Fasziniert von japanischen Yakitori. Die Enttäuschung währt nur kurz. Zu sehr ist Elif angetan von der Idee, fantasievolle Zutaten an Spiesse zu stecken und sie über dem Feuer zuzubereiten: «Ich war jüngst in Tokyo, da gibt es ganze Restaurants, Yakitori genannt, die nichts anderes als Spiesse servieren, vorwiegend mit Poulet.» Sie erwähnt das «Den Kushi Flori», das zwei der grössten Küchenchefs Japans jüngst gemeinsam eröffnet hätten: «Wir hatten keine Chance, einen Platz zu bekommen.» Die japanische Küche sei aber längst nicht die einzige, die Spiesse serviere: In Indonesien gebe es die bekannten Satay-Spiesse mit Erdnusssauce, in Argentinien und Brasilien mache man «Churrasco», wo das Zischen schon im Wort hörbar ist. Sogar in Bayern, wo ihr Lebenspartner Markus Stöckle («Rosi») herkomme, sagt die Küchenchefin lachend, gebe es den «Steckerlfisch».  

 

Restauan Gül, Terrasse, Elif Oskan, Chef, Restauran Gül in Zürich, ZH

«Schaschlik-Spiesse» gibt es hier keine: Terrasse im Restaurant Gül.

Porträt Elif Oskan, Chef, Restauran Gül in Zürich, ZH

Die Glut ist noch nicht «ready» - abwarten und Kaffee trinken.

Elif Oskan, Chef, Restauran Gül bei der Zubereitung eines Schaschlik-Spiess,  Zürich, ZH

Wichtigste Zutat, um Spiessli zu würzen: «Salz, Salz, Salz».

Lieber Wurst als Fackelspiess. Nur bei uns in der Schweiz sei das Image des Spiesses halt schon ziemlich arg angeschlagen. Dies liege sicher an den lieblos vormarinierten, eingeschweissten Produkten aus dem Tankstellen-Shop. Oder am sogenannten «Fackelspiess», den es immer wieder an Chilbis und Festivals gegeben habe: «Es war immer die teuerste Grillade, aber irgendwie doch kein Genuss - am Ende bestellte man doch lieber Wurst.»

 

Das Gnocchi-Prinzip: Alle machen mit! Für Spiesse spreche so vieles: Sie lassen sich perfekt vorbereiten. Problemlos portionieren. Die aufgespiessten Stücke lassen sich ganz einfach auf dem Feuer wenden. Und einmal fertig sei alles nicht zuletzt mundgerecht. Was Elif aber am meisten schätzt - es gebe unendlich viele Möglichkeiten der Zusammenstellung. Ob man nun Hackfleisch-Bällchen dran stecke und sie mit Speck umwickle. Oder ob man lieber Gemüse wie Paprika habe: «Ich bevorzuge die herberen Pimientos, aber viele mögen die türkischen Biber, weil sie süsser sind.» Geeignet seien nicht zuletzt Cherrytomaten und Fischfilets, Frühlingslauch und Hähnchenbrust: «Am besten lässt man die Gäste gleich mitmachen beim Aufspiessen, die Kids inklusive. Da gilt das Gnocchi-Prinzip, dass alle mithelfen…» Sogar die eigentlichen Spiesse selbst laden gemäss gemäss der Küchenchefin ein zur Kreativität: Es könne ja auch mal ein Rosmarinzweig verwendet werden. Oder ein Halm Zitronengras. «Vielleicht sollte man sich sogar beim Schlosser seine ganz individuellen Spiesse machen lassen?», redet sich Elif Oskan ins Feuer. 

 

Elif Oskan, Chef, Restauran Gül bei der Zubereitung eines Schaschlik-Spiess,  Zürich, ZH

Damit auch die Ränder schön bräunen: Abstand zwischen den Spiessli ist gefragt.

Elif Oskan, Chef, Restauran Gül bei der Zubereitung eines Schaschlik-Spiess,  Zürich, ZH

Drei Handbreiten liegen die Grilladen bei Elif Oskan über der glühende Kohle.

Genug Abstand auf dem Rost. Die Glut ist jetzt parat. Also zurück zum türkischen Spiess, der «Schisch» und eben nicht «Schaschlik» genannt wird: Was kommt drauf? «Klassisch ist in der Türkei die Variante mit Tomate, Zwiebel, Paprika und einem Proteinanteil, in der Regel natürlich Fleisch.» Sie möge Hackfleisch mit 40 Prozent Fettanteil besonders gerne. Und wie wird gewürzt? «Mit Salz, Salz und Salz.» Und falls das Gemüse oder das Fleisch zu trocken sei, dürften auch ein paar Tropfen Sonnenblumenöl mit dem Pinsel aufgetragen werden. Wer’s würziger möge, könne als Marinade auch die türkische Paste namens Çemen verwenden. Oder wieso nicht Tare-Sauce, die in Japan verwendet wird? Oder Sojasauce, Mirin und Sake?… Nun legt sie die Spiesse auf den Rost, der gut drei Handbreiten über der glühenden Kohle liegt. Elif Oskan achtet darauf, dass zwischen den Spiessen genug Platz bleibt, «damit auch die Seiten schön karamellisieren können.» Schon bald riecht es im «Gül» ganz köstlich nach gegrillten Tomaten, nach geröstetem Paprika. So müsse es sein: «Nach Feuer soll es schmecken!»