Fotos: Marcus Gyger

SIE KÖNNEN ES IMMER NOCH. Ein Rundtelefon genügte, da hatte Wolfgang Kuchler seine Wunschrunde zum Lunchtermin am vergangenen Sonntag zusammen. In die «Schäfli»-Küche, wo seit neun Jahren sein Sohn Christian das Zepter führt, lud er die Pensionäre Hans-Peter Hussong, Robert Speth und André Jaeger sowie als Vertreter von Jacky Donatz dessen ehemaligen Koch Falk Fleischhauer. Kaum war der Event «The Big Five» ausgeschrieben, war das «Schäfli» schon komplett ausgebucht. Die Gelegenheit, die fünf Legenden und ihre Signature Dishes in einem Lunch versammelt serviert zu bekommen, wollten sich die Fans der Gentleman-Chefs nicht entgehen lassen. 70 Gäste kamen in diesen Genuss und reisten aus der ganzen Schweiz in den Thurgau. Grosses Bild oben: v.l. André Jaeger, Falk Fleischhauer, (Bild von Jacky Donatz), Wolfgang Kuchler mit Alphorn, Robert Speth, Hans-Peter Hussong.

Christian Kuchler in der Gaststube

Kitchen-Party-erprobt: Gastgeber Christian Kuchler an seiner Berkel.

Marinierte Gänseleber, Apfel-Ingwer-Kompott, Chateau-Rieussec-Gelée (Wolfgang Kuchler)

Erster Gang by Wolfang Kuchler: Marinierte Gänseleber, Apfel-Ingwer-Kompott, Château Rieussec-Gelée.

v.l. André Jaeger mit Wolfgang Kuchler

Gelernt ist gelernt: André Jaeger (links) und Wolfgang Kuchler bereiten den nächsten Gang zu.

SCHWEIN, KALB, GANS. Den Auftakt zum Festessen machten ein Rohschinken von Alfred von Escher; der Fleisch- und Vogellieferant der Starchefs war persönlich da. Der Kitchen-Party-erprobte Gastgeber Christian Kuchler hobelte papierdünne Scheiben auf der Berkel. Die mechanische Beauty Jahrgang 1912 «läuft und läuft und läuft». Auch die berühmten Kalbsbratwürste von Jacky Donatz’ Lieferant Pedruzzi aus Savognin stillten den ersten Gluscht. Das Privileg des ersten Gangs hatte Senior Host Wolfgang Kuchler: marinierte Gänseleber mit einem goldenen Rand von Apfel-Ingwer-Kompott, Château-Rieussec-Gelée und Brioche. Wolfgang Kuchler arbeitet bei Bedarf gern in der Küche mit. Reibungsfrei mit seinem Sohn, wie er betont. «Er ist der Chef. Ich sage aber manchmal schon, wie’s besser geht!», meint er lachend. Er nehme sich heute viel Zeit für seine Hobbies, das Wandern («5000 Kilometer Jakobsweg») und das Velofahren. «Beides gehe ich viel lockerer an als früher. Ich fahre nicht mehr gegen die Uhr, sondern zum Wohlfühlen.» Und seit sechs Jahren übt er fleissig am Alphorn. «Das hatte ich vor Jahren gekauft, aber nie Zeit dafür.» Jetzt bekommen seine Nachbarn regelmässig Alpentöne aus dem Horn zu hören. 

BALIK, KAVIAR, GIN ASIA-STYLE. André Jaeger verwöhnte die Gäste mit einer Balik Bloody Mary, einer tiefroten Suppe, aromatisiert mit Gin aus Eigenkreation. «Ich wollte einen Touch Asien drin, bei Turicum habe ich den selbst entworfen», erzählt er stolz. Dazu gabs einen Erbsen-Miso («die Erbsen sind zweimal geschält, viel Filigranarbeit!») und Imperial-Kaviar aus dem Caviar House, als dessen Botschafter Jaeger oft unterwegs ist. Die mattgrünen Perlen stammen aus chinesischer Zucht, «High-End, mein Favorit», wie der Fachmann betont. «Und Wildfang geht ja heute gar nicht mehr!» Unter der Suppe lag vom Balik-Lachs ein Tatar und ein Filetstück. Die kleine grüne Überraschung auf dem bildschönen Teller: ein Oyster Leave. Das Blatt schmeckt beim Reinbeissen tatsächlich, als schlürfe man eine Auster!

Johannes Walch mit André Jaeger

Johannes Walch vom «Schäfli»-Team im Gespräch mit Altmeister André Jaeger.

Balik Bloody Mary, Erbsenmiso, Prunier Kaviar (André Jäger)

Zweiter Gang by André Jaeger: Bloody-Mary-Suppe mit Erbsen-Miso, Imperial-Kaviar, Oyster Leaf & Balik-Lachs.

André Jaeger ist jetzt Gärtner. Seit seinem Abgang in der «Fischerzunft» in Schaffhausen habe Jaeger das Gärtnern entdeckt. «Meine Passion! Ich pflege täglich unseren grossen Ziergarten voller Rosen, Rasen, Buchs und Obstbäumen. Meine Frau hat einen Koi-Teich angelegt. Und unser Hund Filou, ein fünfjähriger Bolonka-Rüde, will auch täglich spazieren gehen. Garten und Hund – beides hält mich fit.» Morgens drehe er gern eine Runde auf dem Goldplatz, allein. Und regelmässig treffe er sich mit seinem Männer-Club zu Events. «Jeder von uns sechs zieht Anfangs Jahr ein Datum und organisiert etwas, das Kultur und Essen schön verbindet. Seit zwanzig Jahren machen wir das so, bad boys day out, ohne unsere Frauen.» Sohn Julian und den ersten Enkel in London besuchen Jaegers per Auto. «Filou darf nicht ins Flugzeug, also fahren wir statt zu fliegen. Den Cargo-Transport wollen wir ihm nicht zumuten.»

Wilder Steinbutt, Olive, Tomate, Spinat, Kalamansi Beurre Blanc ( Robert Speth)

Fischgang by Robert Speth: Wilder Steinbutt an Kalamansi Beurre blanc mit mediterranem Gemüse.

Hans-Peter Hussong mit Robert Speth.

Robert Speth (rechts) im munteren Gespräch mit Hans-Peter Hussong.

SPETHS WILDER STEINBUTT. Robert Speth hat zur Freude seiner Fans einen wilden Steinbutt an Kalamansi Beurre blanc mit mediterranem Gemüse (Tomaten, Spinat, Olive) vorbereitet – und für den Abschluss natürlich seinen vielgeliebten Brie de Meaux mit der hausgemachten Trüffelfüllung dabei. Er sei sehr froh, nach 35 Dienstjahren das hektische Tagesgeschäft, nicht mehr erfüllen zu müssen und nur noch «auf Vorbestellung für Freunde oder Gäste» zu kochen. Für das «Bellevue» in Gstaad mache er noch Caterings, «weil es mir Freude macht». Ausführlich Zeit nimmt er sich zum Reisen und Golfen, am liebsten in Verbindung. «Wir waren im Winter in Vietnam und im Frühsommer in Japan, auf einer geführten Reise. Unvergesslich ein Tempura-Restaurant in Hiroshima, mit einem 80-jährigen Koch!» Seiner anderen Leidenschaft, dem Fliegenfischen, habe er in Alaska und in Schottland gefrönt. «In Schottland fing ich nach drei Stunden einen siebenpfündigen Lachs. Hier gilt aber catch and release, also liess ich den Prachtfisch wieder von der Angel.»

Brasato Ravioli (Hans-Peter Hussong)

Pastagang by Hans-Peter Hussong: Die legendären Brasato-Ravioli an Salbeibutter.

Raviolitransport von Robert Speth und Hans-Peter Hussong (r).

Vierhändig gehts besser: Robert Speth geht Hans-Peter Hussong (rechts) beim Pastagang zur Hand.

400 RAVIOLI FÜRS «SCHÄFLI». Hans-Peter Hussong servierte – what else? – seine legendären Brasato-Ravioli mit Salbeibutter. Die fertigt er nach wie vor, auf Bestellung oder fürs Viadukt in Zürich, nächste Woche mache er 1000 Stück. 400 hat er für den Event im «Schäfli» vorbereitet. Er koche noch sehr gern daheim, ganz privat, ganz allein. «Ich will meine Ruhe haben und Platz», sagt er. Nicht mehr zu müssen, sei für ihn jetzt der grosse Luxus. «50 Jahre im Job waren genug! Ich habe ja bereits mit 15 angefangen», erzählt der Starchef, der die Wirtschaft Wiesengrund in Uetikon am See zu einer Top-Adresse gemacht hatte. Im Frühling 2018 habe er von «hundert auf null» heruntergeschaltet. «Ich habe zwei Kochschürzen behalten und einen Laufmeter an Kochbücher. Alles andere wollte ich weghaben», erinnert sich Hussong. Seither sei «nur Gutes» passiert. Er war mit seiner Frau Ines gereist, auf Mallorca und nach Thailand, im Winter nach Arosa, er habe an seinem Golf-Handicap gearbeitet. «Momentan 16 – das muss aber runter! Und mein Gewicht auch», verrät er zu seinen Plänen im neuen Jahr. 

PRO MEMORIAM JACKY DONATZ. Zu den «Big Five» beim «Schäfli»-Lunch war auch Jacky Donatz geladen gewesen. An seiner Stelle bereitete Falk Fleischhauer, der sieben Jahre beim grossen «Sonnenberg»-Chef im Fifa-Restaurant in Zürich tätig war und heute erfolgreich die Hardern-Pinte in Lyss führt, die Kalbskoteletten à la Jacky zu. Der Duft dieser XXXL-Delikatesse schwebte verlockend durch die Küche, in der die vier Chef-Legenden ihr Zusammensein offensichtlich sehr genossen. Gut gelaunt plauderten die Gentlemen zwischen ihren Einsätzen am Herd über Golf-Handicaps, die 13. AHV-Rente («Hände hoch, wer hat ja gestimmt?», fragte einer in die Runde), Probleme mit schweren Füssen oder über die jungen Köche, die ihren Gästen «Blumenkohl zum Teilen, für 48 Franken!») auf den Tisch stellten. «Dirigent» Christian Kuchler unterbrach ihre Gespräche mit der gestrengen Aufforderung «Service, bitte, die Herren!». Neben ihrem Dienst am Herd waren die «Big Five» auch als Kellner im Einsatz. Die Gäste waren ja nicht allein des Essens wegen gekommen, alle wollten auch kurz mit ihrem Lieblings-Chef sprechen. Eine Pflicht für diese, die sie als Kür absolvierten – auch über die steile Treppe und die langen Wege.

KOCHJACKE FÜR DEN NACHWUCHS. Nach dem Hauptgang stand ein letzter Höhepunkt auf dem Programm. Die Gäste sammelten sich im «Schäfli»-Hof zur Versteigerung einer Kochjacke von Jacky Donatz. Um allen Wind und Regen zu ersparen, stieg ein Bieter generös bei tausend Franken ein. «Tausend Franken zum ersten, zum zweiten und zum dritten» kürzte Auktionator Christian Kuchler kurzerhand ab. Spender Beat Meyerstein, der Autowasch-König von Zürich, hängte sie seinem Freund André Jaeger über die Schultern. «Du sollst die haben», meinte er schmunzelnd, «auch wenn Du noch reinwachsen musst!» Der Erlös geht an die Fundaziun Uccelin von Sarah und Andreas Caminada, zur Förderung des Nachwuchses im Gastgewerbe. Das soll ja weiterhin gedeihen, auch wenn die «Big Five» kürzertreten.

 

>> www.schaefli-wigoltingen.ch