Die kulinarische Spitzkehre. Überraschung! Die «Cà d’Oro» ist nicht länger ein italienisches Restaurant. «Italienische Küche haben wir bereits im Da Adriano und neu auch im Billionaire. Da mussten wir uns etwas Neues einfallen lassen», sagt Küchenchef Leo Ott. Die neue Ausrichtung: Alpin-österreichisch! Das findet Chef Leo prima, er ist ja schliesslich bei Wien aufgewachsen. GaultMillau & Mercedes-Benz zeichnen ihn als «Koch des Monats» aus. Übrigens: Die hervorragende Service-Brigade von der Amalfi-Küste (besser gekleidet als viele Gäste) trägt die kulinarische Spitzkehre mit Fassung. Grosses Bild oben: Team Leo! Chef Ott bringt die besten Chefs aus dem «Castello del Sole» Ascona mit ins Engadin.
Kalbsherz & Kalbskopf. Leo Ott, im Sommer die Nummer 2 im «Castello del Sole» Ascona, ist ein wilder Hund. Mit grosser Lust und noch grösserem Handwerk lotet er auch mit seiner österreichischen Küche die Grenzen aus. Der krasseste Gang: Scampo aus Südafrika, hauchdünne Tranchen vom Kalbsherz (!) drüber, Kalbskopf drunter. Das Herz wird fünf Tage lang gepökelt, dann bei 54 Grad gegart, süss-sauer mariniert. Gemeinsamer Nenner im tiefen Teller ist eine brillante Ochsenschwanz-Essenz mit Liebstöckel. Die Gäste putzen widerstandslos alles weg und haben allen Grund zur Freude: Vom Geschmack her ist der Gang perfekt.
Rande und Oona-Kaviar. Passt! Der Reihe nach. Die Brigade schickt zur Begrüssung einen luftigen «Langosch» raus, eine Art österreichisch-ungarischer Streetfood, mit grünem Speck, geröstetem Knoblauchöl und Sauerrahm. Noch besser ist ein heisser, klarer Shot, der den Gaumen reinigt und die Gäste startklar macht fürs Menü: «Schweinesuppe, vom Spanferkel, Umami auf österreichisch», sagt der Chef. Der Weg ist frei für ein sehr elegantes, erfrischendes Gericht: Gegarte Rande, sweet-sour, zu einer Rose geschnitten, umzingelt von einer 1a-Sauce: Dill und Sauerrahm. Einen grossen Löffel Kaviar (Oona No. 103) gibt’s dazu. Passt!
«Brust kann jeder». Tagliolini sind ja jetzt tabu in der «Cà d’Oro». Worüber raspelt Maître Raffale Rispoli jetzt den Trüffel, ohne den es in St. Moritz nicht geht? Die österreichische Lösung: Schupfnudeln von der Kartoffel, dramatisch aufgepeppt mit Mimolette-Käse, Grieben (!) und schwarzem Pfeffer. Fredy von Escher liefert seine berühmten Perlhühner ins Tal. «Brust kann jeder» sagt Chef Leo und schneidet für den nächsten Gang das beste Stück raus: Fleisch vom Oberschenkel! Sauerkraut-Beurre blanc gibt’s dazu (wunderbar), getrocknete Pflaume (die berühmte Komponente zu viel?), jungen Kohl und knusprige Haut. Wagyu kann auch jeder, aber nur wenige so gut wie Chef Leo: Er entscheidet sich für ein spanisches Rind, legt das Filet auf einen kleinen koreanischen Ofen, feuert mit Binchotan-Kohle ein; eine wunderbare Zwiebelessenz wird dazu eingegossen.
«The healthy moment.» Nach dem Dessert (Ziegenmilch-Schokolade mit Butternuss-Kürbis und Hagebutte) rollt der Teewagen mit den Töpfen von Thymian, Rosmarin, Pfefferminz, Salbei und Oregano von Tisch zu Tisch. Auf besonderen Wunsch mixt der Service auch noch eine Prise Zenzero (Ingwer) dazu. «The healthy moment» - die Tee-Show trifft den Zeitgeist.
Fotos: Thomas Haindl Photography, Rami Diab, Grand Hotel des Bains Kempinski St. Moritz, HO