Fotos: Thomas Buchwalder
Das Wunder von Le Noirmont. Die kleine jurassische Gemeinde Le Noirmont zählt 1957 Einwohner. Zwölf davon sind Köche. Sie arbeiten in der «Maison Wenger», dem verblüffenden Fine Dining-Restaurant mitten im Dorf. Jérémy Desbraux (18 Punkte, zwei Sterne, Bild oben) ist in der riesigen Küche (neu mit «Chef’s Table»!) der Boss und treibt die Küche zu Höchstleistungen an. Das Restaurant ist kaum wiederzuerkennen: Hell, stylish, durchdesignt bis ins letzte Detail. Und das draussen in der «Pampas», in den Granches-Montagnes, weit entfernt von grossen Städten! Kein Problem für Desbraux: «Die Gäste kommen von überall her zu uns. Aus Lausanne und Genf. Aus Zürich, Basel und Luzern.» Gourmet-Destination Le Noirmont! Der unermüdliche Georges Wenger («Koch des Jahres 1997», Ehrengast am Wiedereröffnungstag) hat den Grundstein gelegt. Jérémy Desbraux & Anaëlle Roze schreiben die Erfolgsgeschichte weiter, mit Power und mit neuen Ideen.
Ein eingespieltes Team: Jérémy Desbraux und Anaëlle Roze. Eine Frau vom Fach: Sie war fünf Jahre Köchin in Le Noirmont.
«La Patronne dirige tout.» Die beiden jungen Gastgeber haben ihr Restaurant vier Monate intensiv umgebaut, im September können sie auch ihr kleines Hotel (neu acht Zimmer) wiedereröffnen. Beeindruckend: Sie bezahlten die Löhne ihrer Mitarbeiter auch während des langen Umbaus. Die verschworene Truppe blieb zusammen und kann jetzt von Tag 1 an wieder Vollgas geben; beim «premier service» war nicht die geringste Schwäche auszumachen. Die Aufgaben sind klar verteilt: Jérémy ist der Boss am Herd. Dass er aus der harten Crissier-Schule kommt, ist auf den ersten Blick zu erkennen: Alle zwölf Köche tragen wie bei Franck Giovannini Torchon und hohe Toques. Anaëlle leitet die achtköpfige Servicebrigade (mit drei Sommeliers!). Eigentlich ist sie gelernte Köchin, hat fünf Jahre lang bei Georges Wenger auf allen Posten gearbeitet. Das verschafft ihr Respekt: «La Patronne dirige tout!», sagt Head Sommelier Antoine Sicard beeindruckt. Die schwarze Brigade trägt tatsächlich schwarz: Schwarzer Anzug, Krawatte, nix Sneakers. Die Gäste kommen deutlich weniger elegant gekleidet in die «Maison Wenger».
Hanf(öl) am Lauch! Eine verblüffende Vorspeise.
Konzentration ist alles: Chef Jérémy beim Anrichten.
Darf in keinem Menü fehlen: Das Überraschungs-Ei.
Der Besuch bei den Hanf-Bauern. Jérémy Desbraux war in den vier Umbau-Monaten auch als Foodscout unterwegs. Er fahndete nach neuen Produzenten und wurde fündig. Auf dem Bio-Hof «Trois Rods» in Boudry NE etwa. Auch Hanf wird dort gezüchtet, und das Hanf-Öl («Huile de Chanvre») spielte in einem auf den ersten Blick eleganten, aber harmlosen Lauch-Gericht die Hauptrolle; der Hanf machte uns nicht high, aber happy. Gilt auch für die hochklassige und hochpreisige karamellisierte Jakobsmuschel aus der Normandie (grosses Bild oben, rechts). Ein Veggie-Jus aus fermentiertem Rotkohl mit Salz aus Bex VD wurde dazu eingegossen; spektakulär fürs Auge, aufregend im Geschmack.
Monsieur Ben & das Überraschungs-Ei. Jérémy Desbraux kocht seit 2019 in Le Noirmont, und ein Gang ist immer drin in seinem Degustationsmenü: Das Überraschungs-Ei, «immer in neuen Varianten», sagt Anaëlle Roze. Das «Oeuf du Noirmont» diesmal: Mit «Pleurotes» (Kräuterseitlingen) von Monsieur Ben, der an der Sarine für die «Maison Wenger» auch die Morcheln beschafft. «Eier-Mann» ist Monsieur Oppliger am Dorfrand von Le Noirmont, und er hat für uns Hobby-Köche noch einen kleinen Tipp aus Lager: «Eier immer mit der Spitze nach unten lagern, so bleiben sie länger frisch.»
Meisterwerk: Saibling aus Soubey mit Liebstöckel-Sauce.
Dreimal Lamm der Extraklasse, serviert in grossartiger Bouillon.
Saibling aus Soubey, «Stew» aus Sisteron. Grande Finale im grossartigen Menü. Erst Schwarzwurzeln und schwarze Trüffel, verpackt in Blätterteig, umzingelt von einer Vin Jaune-Sauce. Dann Omble aus dem nahen Soubey: Desbraux klemmt den zarten Fisch in eine verblüffende Weizenkruste, Liebstöckel prägt die schaumige Sauce. Von allen Saucen gibt’s Nachschlag, «pour la gourmandise». Dann der Höhepunkt im Menü: Rücken, Filet Mignon und Kotelett vom Sisteron-Lamm, serviert in einer aufregenden Bouillon. Dunkles, nicht allzu bitteres Courroux-Bier, prägt das Süppchen, das die Gäste bis zum letzten Tropfen weglöffeln. Der Chef: «Ich habe in Irland gearbeitet. Inspiration für dieses Gericht ist das Irish Stew.» Mit Verlaub: Ein so fantastisches Irish Stew gibt es in ganz Irland nicht.
Käsewagen aus dem Jura, der ganze Stolz von «Cheese Man» Luiz Vuillemin.
«Wenger» ist ein Gesamtkunstwerk. In der «Maison Wenger» scheut man wirklich keinen Aufwand. Vier Brote werden täglich zweimal gebacken (!) und kommen ofenwarm auf den Tisch. Gleich drei Wagen werden vorgerollt: Champagner, Digéstiv – und Käse! Vor allem die Käse-Show begeistert: Das Beste aus dem Schweizer und aus dem französischen Jura, von «Cheese Man» Luiz Vuillemin stolz präsentiert. Die Weinkarte ist riesig. Vor allem bei den Schweizer Winzern ist das Konzept klar: «Simply the Best». «Etwas anderes kommt für den Chef nicht in Frage», sagt Sommelier Antoine Sicard. Gilt auch für die Weine aus dem Drei-Seen-Land: Anne-Claire Schott, Keller am See, La Maison Carrée sind gelistet.