Text: Kathia Baltisberger Fotos: Digitale Massarbeit
Kein Grund zum Weinen. Ein Jahr lang durfte sich Kay Baumgardt («Gasthaus zur Fernsicht», Heiden AR) «Pâtissier des Jahres» nennen, bevor am 16. November ein neuer das «Amt» übernimmt. 2020 war allerdings nicht das Jahr, in dem man besonders glänzen konnte, zu lange dominierte Corona die Gastronomie. «Zuerst war man in aller Munde, neue Gäste wurden auf die Fernsicht aufmerksam, das war ziemlich cool», erinnert sich Baumgardt. «Und dann kam Corona. Da war man plötzlich nicht mehr so präsent, was völlig verständlich ist. Aber ich sitze deswegen nicht in der Ecke und weine.»
Neue Petits Fours. Der Deutsche blieb gelassen und widmete sich anderen Projekten: «Vor Ostern habe ich Osterhasen gegossen, die wir dann verschickt haben und ich habe bei einem Charity-Projekt mitgemacht.» Zusätzlich standen neue Projekte an. «Wir hatten immer diesen Petit-Four-Wagen – das geht heute natürlich nicht mehr. Jetzt bekommt jeder Gast eine kleine Schatulle mit sechs Petits Fours, die das ganze Menü widerspiegeln.» Konkret: Jede Süssigkeit nimmt einen Geschmack aus einem Gang auf. Wenn Chef Tobias Funke also BBQ-Aromen im Fischgang hat, dann räuchert Baumgardt einfach Schokolade, kombiniert mit Haselnuss und Yuzu.
Fermentation & zuckerfrei. Kay Baumgardt gehört zweifelsohne zu den Besten seines Fachs. In den vergangenen Jahren hat er seine eigene unverkennbare Handschrift entwickelt. Doch auf den Lorbeeren ausruhen kann und will er sich nicht. «Ich möchte mich noch tiefer ins Thema Fermentation einarbeiten, noch weniger Zucker verwenden. Ich möchte einfach aus den Produkten das letzte Quäntchen rauskritzeln. Und gleichzeitig hinterfrage ich jeden Teller: Was kann ich weglassen? Braucht es diese Komponente wirklich?»
Buchweizenkoji. Baumgardt versucht auch immer wieder, den Gast mit Geschmäckern zu überraschen, die er so nicht erwarten würde. Das aktuelle Dessert besteht aus Waldbrombeeren und geräuchertem Buchweizenkoji – also einer Schimmelpilzkultur, die auf dem Pseudogetreide wächst. «Dafür habe ich mit Patrick Marxer von «Das Pure» zusammengearbeitet. Durch das kalte Räuchern bekommt der Buchweizen so ein speckiges Aroma.» Baumgardt lässt den Buchweizenkoji in der Buttermilch ziehen und macht ein Sorbet daraus. Kombiniert mit der Säure von Yuzu und den Brombeeren gibt das eine wunderbare Harmonie.
Wie der Vater so die Tochter. Wenn ein Pâtissier so komplexe Desserts kreiert, stellt sich automatisch die Frage: Kann der Mann auch einfache Sachen? «Klar!», sagt Baumgardt. «Zum Beispiel die Buchteln mit Vanillesauce. Die muss ich zu Hause mindestens alle zwei Wochen machen, sonst hängt der Haussegen schief.» Daheim hat er aber auch hochprofessionelle Unterstützung. «Meine Tochter ist jetzt zweieinhalb Jahre alt und hilft sehr gerne mit. Sie rührt gerne – und schleckt am Ende natürlich alles ab.» Der Krümel fällt nun mal nicht weit vom Kuchen.
>> Der Pâtissier des Jahres hat für den GaultMillau-Channel drei Rezepte kreiert: eins für Gäste, eins zum Wohlfühlen und eins zum Staunen.