Fotos: David Birri

Das eigen-artigste Lokal. Das CAAA in Luzern gibt seit seiner Eröffnung Ende November zu reden. Wo einst an der Haldenstrasse die Galerie Fischer hundert Jahre lang hochkarätige Kunst unter den Hammer brachte, befindet sich heute das Transalpine Fine Dining Restaurant CAAA. So transparent die Glasfront, so kryptisch mutet der Name an. Dahinter steckt – quasi in Kurzform – der Name des Masterminds Pietro Catalano. Seine Idee: mehr als ein Restaurant, ein Rundum-Erlebnis für alle Sinne. Eine Symbiose von Kulinarik, Kunst, Klang, Design, Technik. Entworfen hat den 165 Quadratmeter kleinen Raum samt minimalistischem Mobiliar das Star-Architekturbüro «External Reference» in Barcelona, mit einer Decke aus Recycling-Materialien, geformt mit 3-D-Drucker, einem Gebirgsrelief nachempfunden, und mit schlichten Lichtelypsen als Wandschmuck. Nebenan befindet sich ein Kunstraum, die «Impulse Gallery». Zum Hinterhof hin liegt die Bar, wo die Gäste mit einem Drink, ausgewählt nach Klang, empfangen werden. Die Bar mutet mit ihren Apparaturen und Geräten labormässig an, hier wird destilliert, fermentiert und dehydriert. Ein tunnelartiger Gang verbindet Bar und Beiz, an der Decke flimmern Mega-Screens, Bubble-Gucklöcher bieten einen Seitenblick in der Küche. Auch vom Gastraum aus geniesst man einen unverstellten Blick in die Küche – als Teil der Show. Hier geht Catalano am mächtigen Molteni-Herd seinem Handwerk mit Verve nach, unterstützt von seinem Team, zu dem seine Schwester Stefania und seine Ehefrau Elena gehören. Grosses Bild oben: Kaspar Müller-Studhalter (l.) und Pietro Catalano mit Piemonteser Rindern. 

Kühe von Tanja und Kaspar Müller-Studhalter vom Tannenhof in Ebersecken, LU. Aufgenommen am 30.04.24. ©David Birri

Jungstier Sämi mit seiner Grossmutter Dana, der Seniorin vom Tannenhof. Hinten das Wohnhaus der Müllers.

Pietro Catalano, Restaurant CAAA besucht den Bauernhof Tannenhof, Ebersecken, LU 2024

Das Reich von Tania und Kaspar Müller in Eckersecken LU. Die weissen Tupfer im Grün: die Piemonteser Mutterkühe und ihre Kälber. 

Selfmademan und Weltenwanderer. Die schicke Kunst-Welt ist aber nicht die einzige geistige Heimat von Pietro Catalano, er fühlt sich auch auf dem Land zuhause. Als Kind sei er am liebsten auf dem Hof seines Onkels gewesen, bei den Kühen. Später lernte der gebürtige Zuger Auto-Mech, ging ans Konservatorium, studierte Klassische Trompete und wurde Berufsmusiker. Danach gründete er ein eigenes Modelabel, war vier Jahre als Unternehmer in der internationalen Fashion-Szene tätig und landete dann im Winter 2018 im Wallis, wo er eine neue Leidenschaft entdeckte: die Gastronomie. Zwar kannte er die Branche schon durch die drei Pizzerien, die seine Eltern in Zug führten, aber in «Heidi’s Hütte» auf der Fiescheralp gingen seine Ambitionen so hoch wie die umliegenden Gipfel. Wie gut und wie anders der wilde Innerschweizer da am Pistenrand kochte, sprach sich schnell herum. Bereits in der ersten Saison holte er sich die ersten GaultMillau-Punkte. Fünf Jahre lang erntete der Autodidakt weitere Lorbeeren und die Anerkennung der Einheimischen. Er aber hatte schon ein neues Ziel: ein eigenes Restaurant. Irgendwo in der Zentralschweiz, am liebsten in einer kunstafinen Umgebung. 

Theo Hildt (Sous Chef), Franziska Baumann (Patissière). Restaurant CAAA, Luzern. Aufgenommen am 30.04.2024 ©David Birri

Elena Catalano (l.), Theo Hildt (Sous Chef) und Franziska Baumann (Pâtissière) am Molteni-Herd im «CAAA».

Stier Sämi hat gerade Sex-Pause. Unterhalb des Wohnhauses steht der Stier Sämi, ein Prachtskerl mit Muskeln wie ein Bodybuilder. Er ist eineinhalb Jahre alt, voll im Saft, darf aber jetzt nicht zu den Kühen. Sexpause! «Damit die dann nicht im Januar kalben», erklärt Müller. «Dann wollen wir mal ein paar Tage Ferien machen.» Meistens gebären die Piemonteserinnen ohne menschliche Mithilfe, aber wenn Probleme auftauchen, sind die Müllers lieber vor Ort. Eine Kuh oder ein Kalb zu verlieren wollen sie nicht riskieren, weder emotional noch finanziell. 
 

Alpine Kartoffel, Sorte Annabelle Auf Salzkruste gegart, gefüllt mit Semi-Soufflé Osietra-Kaviar Dill-Velouté mit Dillöl . Restaurant CAAA, Pietro Catalano, Luzern. Aufgenommen am 30.04.2024 ©David Birri

Alpine Kartoffel, Sorte Annabelle auf der Salzkruste gegart, gefüllt mit Semi-Soufflé, Osietra-Kaviar, Dill-Velouté mit Dillöl.

Pietro Catalano, Restaurant CAAA, Luzern. Alpine Kartoffel, Sorte Annabelle Auf Salzkruste gegart, gefüllt mit Semi-Soufflé Osietra-Kaviar Dill-Velouté mit Dillöl . Aufgenommen am 30.04.2024 ©David Birri

Pietro Catalano, «CAAA»-Chef und Mastermind, beim Finish des Alpe-Härdöpfels in der offenen Küche.

Törtchen auf dem dicken, dunklen Marmorfuss Buchweizen-Tartelette mit Sablé-Ringli zum Abheben (der 1. Biss) Mit Creme aus scharfer Salami aus Süditalien (Nduja), Süsskartoffel, gepufftes Chinoa, Ricotta-Creme mit Pollen Obendrüber Blütendekor, Peperoncino-Pulver . Restaurant CAAA, Pietro Catalano, Luzern. Aufgenommen am 30.04.2024 ©David Birri

Buchweizen-Tartelette mit Sablé-Ringli, Creme aus Nduja-Salami, Süsskartoffel, gepufftes Chinoa, Ricotta-Creme mit Pollen, Blüten & Peperoncino-Pulver.

Die schönen Hellen aus Italien. Schon im Wallis suchte und fand Catalano für seine Fleischgerichte die idealen Lieferantinnen: Piemonteser Kühe. Diese Edelrasse zeichnet sich durch viel Muskelmasse, geringes Oberflächenfett und eine zarte Marmorierung des Fleisches aus. Die Piemonteserinnen mit dem hellen Fell und der kräftigen Statur waren in der Schweiz selten anzutreffen. Catalano fand sie auf dem Tannenhof im luzernischen Eckersecken. Hier züchten Tanja und Kaspar Müller-Studhalter seit zwanzig Jahren diese schönen Tiere. 45 Mutterkühe und ihre Kälber grasen rund um dem 22 Hektaren umfassenden Hof «Frisch vo de Tanne». Kaspar Müller ist hier in der sechsten Generation Bauer, ausserdem gelernter Metzger. Er hat nach der Übernahme des väterlichen Hofes von traditioneller Milchwirtschaft auf Rinderzucht in Mutterkuhhaltung umgestellt, inklusive Hofmetzg und Direktvermarktung. Ihre ersten Piemonteser Kühe mussten sie aus Dänemark importieren, in ihrem Heimatland Italien war gerade eine Vieh-Krankheit ausgebrochen. «Wir hätten auch eine einheimische Rasse wählen können, doch wir suchten etwas Besonderes, eine Rasse mit hoher Fleischqualität», erzählt Kaspar Müller. Stolz führt der seinen langjährigen Kunden Catalano über die Rinderweide, durch den luftigen Laufstall, runter zu der Weide, wo die Mütter mit ihren Kälbern grasen. «Vorsichtig, gell, Pietro, die Kühe sind nicht aggressiv, aber etwas misstrauisch gegen Fremde. Und sie beschützen ihre Kälber!», warnt der Züchter.

Hohrückensteak und «Earthquake». Pietro Catalano lässt sich von Tanja Müller ein paar schöne Stücke einpacken, dann geht’s im Maserati-SUV zurück ins CAAA. «Mit dem Fleisch von den Piemontesern kann man eigentlich nichts mehr falsch machen», meint der Chef. «Das Fleisch ist wunderbar marmoriert, zart und saftig, mit einer leicht haselnussigen Note – ein Gedicht!» Er bereitet ein Hohrückenstück zu in einer Kruste aus Kartoffeln, getrockneten Champignons, kandierten Oliven («von den Hainen meiner Familie in Süditalien!»), Stangensellerie und fermentierten Haselnüssen, dazu Sellerie-Mousseline, Sellerie in der Salzkruste gebacken, eingelegten Äpfeln und einem Lavendel-Gelée. Bar-Chef Rafael Alario bringt dazu einen «Earthquake», einen Drink auf Basis eines Gimlet. Das steht so nicht im CAAA-Menü, passt aber prima zum Fleischgericht, meint Pietro Catalano. Er muss es wissen!

 

>> www.pietrocatalano.ch

>> www.frischvodetanne.ch

Tierwohl & Tierschutz

Fleisch aus der Schweiz ist von hoher Qualität. Grund dafür sind strenge Gesetze und die natürlichen Ressourcen. Die Schweizer Fleischproduktion hebt sich von derjenigen im Ausland ab. Das betrifft Betriebsgrössen, Haltung, Fütterung und Rassen. Auch bei Themen wie Tierwohl und Tierschutz geht die Schweiz einen Sonderweg.

>> www.schweizerfleisch.ch