Text: Daniel Böniger
Mattias Roock, Sie essen Kartoffelsalat von Kindesbeinen an, oder?
Da liegen Sie nicht ganz verkehrt. Meine Eltern hatten einen Landgasthof, dort gab es regelmässig Kartoffelsalat. Zu Grilladen oder auf Buffets. Zu Hause ebenso - wie in Deutschland üblich sogar an Weihnachten. Man könnte ja sagen, Kartoffelspeisen haben in Deutschland etwa den gleichen Stellenwert wie Pasta in Italien.
Wie meinen Sie das?
Jede Familie hat eigene Rezepte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Ursprünglich geschah dies nur im «Heirats-Radius» von etwa 30 Kilometern. Also so weit, wie man mit dem Fahrrad zur nächsten Dorfdisko gefahren ist. Inzwischen vermischen sich aber auch nördliche und südliche Zubereitungsarten, weil Familien heute auch weiträumig umziehen.
Kommen wir zur grossen Streitfrage: mit oder ohne Mayonnaise?
Ich bin im Norden Deutschlands aufgewachsen, dort assen wir den Kartoffelsalat mit Mayonnaise. Um ihn nicht allzu schwer zu machen, kann man dabei einen Teil der Mayo mit Joghurt oder Sauerrahm ersetzen. Inzwischen lebe ich aber im Süden der Schweiz und habe zur Variante mit Öl und Essig gewechselt. Die Mayo-Grenze liegt, so sagt man, ungefähr auf der Höhe des Rheinlands, also etwa bei Mainz.
Können Sie kurz skizzieren, wie ein einfacher Kartoffelsalat geht?
Ich schneide eine Zwiebel in kleine Würfel und dünste diese in etwas Öl an. Anschliessend kommt Bouillon, Senf und Essig hinzu, alles wird gut verrührt. Mit Salz und Pfeffer schmecke ich ab. Währenddessen koche ich die Kartoffeln in der Schale. Ich schäle sie, solange sie noch warm sind und schneide die Scheiben direkt in die noch warme Marinade. Kurz mischen, noch etwas Öl hinzugeben und durchziehen lassen. Vor dem Servieren kommen noch gehackte Kräuter wie Schnittlauch und Peterli hinein.
Welche Kartoffeln verwenden Sie?
Es müssen festkochende Kartoffeln sein. Inzwischen steht im Supermarkt der Vermerk «Salatkartoffeln» meist auch auf der Verpackung. Mit mehlig kochenden Kartoffeln geht’s nicht, da wird die Sache schnell zum Brei.
Wie lange lassen Sie den Salat mit der Marinade durchziehen?
Zwischen 45 Minuten und zwei Stunden. Und dafür müssen die Kartoffeln auch nicht in den Kühlschrank, denn die Öl-Essig-Variante schmeckt durchaus auch lauwarm. Wichtig ist übrigens, dass die Scheiben nicht allzu schön geschnitten sind. Sie sollten «geschnippelt» werden, wie man in Süddeutschland so schön sagt. Die Schnittkanten dürfen ruhig abbrechen, das gibt dem Kartoffelsalat dann die notwendige Sämigkeit.
Welche Zwiebeln verwenden Sie?
Ganz normale weisse Zwiebeln. Rote verfärben den Salat, und Frühlingszwiebeln sind fast zu elegant. Schliesslich ist es ein Hausfrauen-Gericht, und den entsprechenden Charme darf es auch verströmen.
Das Schälen der Kartoffeln im heissen Zustand ist eine mühsame Sache. Haben Sie da einen Trick?
Erstens müssen die Kartoffeln ja nicht ganz heiss sein - man sollte sie einfach nicht kalt abschrecken. Und zweitens darf man sich ruhig an den Grundsatz meiner Oma halten: Viele Hände, schnelles Ende! Man braucht die Schälerei nicht alleine zu machen.
Verwenden Sie auch mal spezielles Öl oder einen speziellen Essig?
Ich bin da sehr klassisch und verwende guten Weissweinessig und ein Pflanzenöl, also Raps- oder Sonnenblumenöl. Wer es verspielter möchte, kann Apfel- oder Estragonessig ausprobieren!
Kartoffelsalat ist in der warmen Jahreshälfte eine wunderbare Beilage zu Grilladen. Mit was kombinieren Sie den Salat sonst noch?
In Hamburg isst man Kartoffelsalat zu Backfisch. Viele werden die Kombination mit dem Wienerschnitzel kennen. Auch der Insalata Russia, wie man ihn gern in Tapasbars bekommt, ist ja eigentlich ein Kartoffelsalat. Manchmal wird er mit Tuna verfeinert.
Wann gab es den letzten Kartoffelsalat bei Ihnen privat?
Das war erst grad vor kurzem, als meine Eltern zu Besuch waren. Mit ein paar Scheiben Salatgurke habe ich ihn etwas sommerlicher gemacht. Dazu gabs Cervelats - meine Eltern hatten die Schweizer Nationalwurst zuvor noch nie gegessen.
Kartoffelsalat by Mattias Roock
Fotos: Thomas Buchwalder, Kurt Reichenbach, HO