Text: David Schnapp | Fotos: Thomas Buchwalder, HO
Karriere mit Wendungen. Er hat in seinem Leben schon einige Wendungen hinter sich gebracht, viele Höhepunkte erlebt: Einst stand Stéphane Décotterd an der Seite von Daniel Humm in der Küche des damaligen Drei-Sterne-Restaurants «Le Pont de Brent» von Gérard Rabaey. Später übernahm er von seinem Chef das bekannte Lokal oberhalb von Montreux. Seit 2012 wurde der Westschweizer mit 18 Punkten und zwei Sternen für eine präzise, klassische und natürlich französische Küche ausgezeichnet.
Appenzeller Ente statt bretonischer Hummer. 2018 entschied sich der 45-jährige Décotterd für eine radikale Neuausrichtung seiner Karriere und beschloss, künftig auf bretonische Seezungen und Hummer zu verzichten und fortan nur noch Produkte lokaler Produzenten anzubieten. Die Zeitung «Le Matin» zitierte den Koch damals mit den Worten: «Man hat mich für verrückt erklärt.» Aber Décotterd liess sich nicht beirren, auch weil er – ähnlich wie sein Kollege Humm in New York – überzeugt ist, dass sich der Luxusbegriff in der Gastronomie ändern muss: «Bretonischer Hummer ist heute sehr viel einfacher zu bekommen als eine Appenzeller Ente», sagt er. Und: Bei den typischen Produkten, die traditionell mit der Spitzengastronomie verbunden sind, spüre er eine gewisse Atemlosigkeit. «Wir sind in einem Korsett unserer Ausbildung festgeschnürt, das uns die Produkte vorgibt, die man kochen muss», so Décotterd.
Gehobene Küche und Brasserie. Eine weitere grosse Wendung nahm die Karriere des freundlichen Romands, als er im vergangenen Jahr, seine langjährige Wirkungsstätte «Le Pont de Brent» verliess, um zusammen mit Ehefrau Stéphanie ein paar Kilometer weiter unten in Glion nochmals neu anzufangen. Im Restaurant der renommierten «Ecole Hôtelière» hat das prominente Mitglied von Les Grandes Tables de Suisse ideale Bedingungen für seine gehobene Küche aus konsequent einheimischen Produkten. Aber auch eine Brasserie ist Teil des «Maison Décotterd», das zu allem auch einen beeindruckenden Blick auf den ganzen Lac Léman bietet. Dazu serviert der vielseitige Koch zum Beispiel grandiose Pasteten.
Granola mit Curry und Kardamom. Zu den Produkten, die Stéphane Décotterd bald in sein neues Repertoire aufgenommen hat, gehören die Swiss Shrimps aus Rheinfelden. Die nachhaltig und antibiotikafrei aufgezogenen blauen Krebse schätzt der Koch wegen ihrer «Qualität und Frische». Ihr Geschmack komme am besten zur Geltung, wenn man die Shrimps roh oder nur leicht gegart serviere, findet Décotterd. Zum Beispiel in einer überraschenden Kombination aus sanft confierten Jumbo-Garnelen mit einer Karotten-Buttersauce und einem knusprigen Granola, das mit etwas Curry und Kardamom eine sanfte exotische Note erhält. «Ich mag den Kontrast der Texturen in diesem Gericht», so der Koch, der mit seiner regionalen Haute Cuisine einen vielversprechenden Neuanfang gewagt hat.