Zunge, Bäggli – und eine Essenz zum Niederknien. Christian Kuchler ist (wie bereits sein berühmter Vater Wolfgang) ein Mann der klaren Worte. «Wagyu-Entrecôte braten kann jeder Tubel!». Also lässt sich der «Schäfli»-Chef einiges mehr einfallen, setzt zur grossen Swiss Wagyu-Zerlegung an und serviert den spektakulären Hauptgang in drei Raten. No.1: Gepökelte und gerollte Wagyu-Zunge, mit perfekt gewürztem Wagyu-Tatar drin. No. 2: Tranchen von Wagyu-Bäggli, in einer schlicht fabelhaften Wagyu-Essenz. No. 3: Drei kleine, feine Tranchen Wagyu-Entrecôte mit edlem Stammbaum: Kagoshima A5. Grosses Bild oben: Christian Kuchler.

Schäfli Wigoltingen 2023

Grosse Küche in der alten Taverne, seit Jahrzehnten. 

Das heimliche Wahrzeichen von Wigoltingen: Das «Schäfli».

Das heimliche Wahrzeichen von Wigoltingen: Das «Schäfli».

Das «Schäfli» ist auch Sommeradresse: Schlemmen im Gärtli.

Das «Schäfli» ist auch Sommeradresse: Schlemmen im Gärtli.

«Ideen vor dem Einschlafen.» Wie kommt man auf solche Ideen, Christian Kuchler? «Beim Einschlafen. Ich stehe dann noch einmal auf und notiere die Idee.» Wer seine Rechnungen wie Kuchler selber bezahlen muss, lässt sich zwingend etwas einfallen: «Wagyu-Entrecôtes sind sündhaft teuer. Also lasse ich mir auch Backen, Schwänze und Zungen schicken!» Mit der grandiosen Essenzen ist er aufgewachsen: «Kriegte ich immer, wenn ich mal krank war.» Und wie seinem Vater ist dafür kein Aufwand zu gross: «Da ist Material drin, kiloweise Wagyu-Schwänze! Wir setzen die Essenz über Nacht an, lassen sie geduldig köcheln und sind dann am Morgen selbst begeistert vom Resultat.» Ist der gestrenge Vater auch begeistert davon? Christian: «Er isst sie regelmässig. Das ist schon mal ein gutes Zeichen.»

«Von den Alten kann man lernen.» Christian Kuchler führt seine «Taverne zum Schäfli» ins zehnte Jahr. Mit viel Einsatz und viel Selbstbewusstsein. Letzteres hindert ihn nicht, bei anderen Starchefs genau hinzuschauen. «Ich war mit Stefan Heilemann in Crissier, staunte über Franck Giovanninis Jakobsmuschel und wusste: Wir Jungen müssen nochmals über die Bücher.» Kuchler kniete sich rein ins «Dossier», setzt jetzt ebenfalls auf die handgetauchten (!) Muscheln aus Norwegen («viel Arbeit, viel Abfall») und entwickelte eine geniale Sauce dazu: Gartenerbse, Petersilie, Speck («für eine bodenständige Tiefe»). Statt Salz setzt er auf Oscietra Kaviar (von Prunier), sehr grosszügig dosiert. Support auch beim Scampo: «Robert Speth hat bei uns mal einen Steinbutt mit Kalamansi in der Sauce zubereitet. Kalamansi sorgt für eine tolle Zitrusfrucht-Note, passt auch für meine Champagner-Nage.» Kuchlers Fazit: «Von den Alten können wir etwas lernen.»

Poularde Jaune Piri Piri «Dieter Koschina Style» von Christian Kuchler. Schäfli Wigoltingen Poularde Piri-Piri Christian Kuchler Schäfli Wigoltingen TG

Poularde Piri-Piri. Rezept von Meisterkoch Koschina.

Gourmetfestival Ostschweiz 2018: Steinbutt von Christian Kuchler

Ein Klassiker auf der Karte: Bretonischer Steinbutt. 

Zwangsmenü? Nicht bei Kuchler! Foodies finden sich zähneknirschend damit ab: In vielen Top-Restaurants liegt ein fixes Menü auf, wurde das «à-la-carte»-Angebot wegrationalisiert. Christian Kuchler macht da nicht mit: «Eine grosse Karte gehört zum «Schäfli» und bringt uns auch den Erfolg. Einige Gäste bestellen das Menü, andere wählen Vorspeise, Hauptgericht und Dessert aus der Karte. Das ist für uns auch okay!» Auf der «à- la-carte» sind seine Klassiker drauf: Die überragende Entenleber («Selection Fredy von Escher»), der Kaisergranat 6/9. Froschschenkel aus einer Zucht im Jura, am kleinen Knochen, mit Knoblauch, Petersilie und Beurre Noisette, hauchdünne Ochsenschwanz-Ravioli mit Périgord-Trüffelsauce und Entenleber-Würfel («Sélection Fredy von Escher»), Steinbutt aus der Bretagne und Milchlamm aus den Pyrenäen.

The Winning Team! Christian Kuchler ist Spitzenkoch – und «Menschenfänger». Wer mal bei ihm gearbeitet hat, bleibt länger oder kehrt wieder zurück. Seine Mannschaftsaufstellung? Fabian Mennel ist ein hervorragender Gastgeber und Sommelier, hat Kuchlers Küche und die mehrere Kilos schwere Weinbibel im Griff. Pâtissier Daniel Simunic gehört zur Schweizer Spitzenklasse. Monika Huber ist die Nummer 2 im kleinen Team. Joel Nötzli ist der Gardemanger. Christan Kuchler steht dort, wo wir ihn am liebsten sehen: Auf dem Saucier-Posten.

 

Fotos: David Schnapp, Thomas Buchwalder