Text: Daniel Böniger I Fotos: Thomas Egli
Glücksfall Rüstabfälle. Wie immer schaut Matteo Moscatelli morgens als erstes in der Küche vorbei. Schon um 9 Uhr ist er im Zürcher Hotel Widder auf der Suche nach Gemüseabschnitten und Rüstabfällen. Und hat diesmal besonderes Glück: Die ersten Erbsen der Saison sind geliefert worden - nach dem Auspuhlen ist ein Berg von Hülsen übrig. Ganz nach dem Motto «Fight Foodwaste!» nimmt er das Grünzeug mit in sein Labor, wo er den Rest des Arbeitstages verbringen wird. Dort stellt sich also an diesem Vormittag die spannende Frage: Wie mixt man mit den Erbsenschoten einen Drink?
Er hat sich durch London getrunken. Der 33-jährige Italiener ist seit dem Sommer 2022 Group-Mixologist von The Living Circle. Und arbeitet wie gesagt tagsüber: «Die meisten Gäste wissen gar nicht, dass es mich gibt.» Ursprünglich hat er Chemie und Mikrobiologie studiert, doch am Ende begeisterte er sich mehr für seine nächtliche Tätigkeit als Barkeeper als für die Tagesarbeit in einer Firma, die sich auf Umweltverschmutzung spezialisiert hat. «Darum ging ich nach London und jobbte als Aushilfe in einer Bar in Convent Garden. Dort musste ich vor allem Bier und Kisten schleppen.» In der Freizeit aber sei er mit seinen Kollegen herumgezogen und schnappte in der Metropole alles über Drinks und Cocktails auf. Mit dem gesammelten Fachwissen heuerte er in der Widder-Bar an – und war schon bald erfolgreich: 2021 wurde er an der Diageo Worldclass zum besten Barkeeper der Schweiz gekürt.
Süsse- und Säuregrad müssen stimmen. Zurück zu den Erbsenhülsen. Matteo entscheidet sich, sie in einen Entsafter zu geben – nun fliesst eine tiefgrüne Flüssigkeit aus dem Gerät. «Ein halber Liter muss es schon sein, damit ich loslegen kann.» Bevor daraus ein Cocktail wird, müsse auch der Süsse- und Säuregrad stimmen: «Dieses Prinzip ist für alle sogenannten Cordials, die ich an unsere Bartender weitergebe, immer dasselbe!» Dazu verwendet er auf der einen Seite süsse Zutaten wie Honig oder Rohrzucker; auf der anderen Seite Zitronensäure-Pulver oder andere passende Ingredienzen, die merklich Säure enthielten: «Mein erster Drink im Widder basierte auf einem Sauerkraut-Cordial. Er hiess Chatzezüngli und enthielt dazu Gin und Limettensaft.»
Deko? Je nach Vorlieben der Gäste. Ganz Naturwissenschaftler, verfährt er nach dem Prinzip «Trial and Error». Meist im Verhältnis 1:1 probiert er danach verschiedene Spirituosen aus, die zum Erbsenhülsen-Cordial passen könnten. Und landet an diesem Morgen bei Cachaça: «Solche neuen Kreationen gebe ich gern meiner Frau zu probieren - wenn sie einen Drink mag, sind gut 98 Prozent der Gäste auch dafür zu haben.» Jetzt braucht es nur noch ein passendes Glas und genügend Eiswürfel: «Eis ist Dein Freund!», ein weiteres von Matteos Prinzipien. Und zu guter letzt einen Filler, dieses Mal ganz schlicht Mineralwasser. Der so kreierte Drink, bei dem eine ganz zarte Rauchnote von den Erbsen mitschwingt, kann je nach Vorliebe des Gastes mit Erdbeer-Abschnitten dekoriert werden. Oder aber - fast noch konsequenter - mit den klein geschnittenen entsafteten Erbsenhülsen: «Die Reste der Reste!»
Party machen - kein Problem! Ausnahmsweise trifft man Matteo Moscatelli sogar abends in einer der Living-Circle-Bars an: Wenn er in kleinen Gruppen - zwei bis sechs Personen - seine Masterclasses abhält. «Wollen die Teilnehmer möglichst viel lernen, gebe ich meine Tricks gern weiter! Wollen sie bloss Party machen – auch kein Problem.» Fix ist einzig: Um neun Uhr am nächsten Morgen wird er wieder durch die Küche streifen, um nach aussergewöhnlichen Zutaten zu suchen.
Mehr Informationen über Matteo Moscatellis Masterclasses: www.thelivingcircle.ch