Fotos: Christopher Alexander Kuhn
RARITÄT AUS DER TIEFE. «Die Trüsche hat nur ein Problem: Es kennt sie kaum jemand.» Dabei sei sie ein köstlicher Speisefisch, grätenarm und fettfrei, von festem Fleisch. Im Geschmack nahe am edlen Seeteufel. Und ihre Leber galt schon bei den Römern als Delikatesse. Sie sei zudem eine reine Vitamin-A-Bombe!, erzählt Trüschen-Züchter Christian Zbinden. Der Grund, warum Trüschen so selten auf den Tisch kommen: «Sie leben in der Tiefe unserer Seen, sind nachtaktiv und gehen den Berufsfischern darum selten in die Netze. Die einzigen Verwandten aus der Dorsch-Familie, die im Süsswasser heimisch sind, sind eine Delikatesse, Profis wissen das. Wenn Berufsfischer Trüschen fangen, essen sie sie meist selbst.» Zbinden, selber Sportfischer seit Kindertagen, gerät ins Schwärmen, wenn er von seinen lota lota, so der lateinische Name der Trüsche, redet. Zusammen mit Patrick Kull aus Zürich hat er vor zwei Jahren die VierFisch GmbH gegründet. Ihr Ziel: Trüschen züchten und den wenig bekannten Raubfisch in die Gastronomie bringen. Die Anfänge sind gemacht, die zwei opfern ihre gesamte Freizeit für die feinen Fische. Ihr Wunsch: eine eigene Anlage im grossen Stil. Grosses Bild oben: Patrick Kull von VierFisch beobachtet seine Trüschen.
NOCH IST’S EIN HOBBY. Noch betreiben Kull und Zbinden hobbymässig die Trüschenzucht im Luzerner Friedental am Rotsee, wo die hübschen Fische mit dem Leoparden-Muster, dem drachenartigen Kopf und der glatten Haut in Becken diverser Grösse heranwachsen. Die Brutanlage befindet sich in einer Halle in Zürich-Altstetten, wo die Eier, die teils von Mutterfischen aus dem Vierwaldstättersee stammen, sorgfältig von Patrick Kull aufgezogen werden. Während der sechs Monate der Aufzucht kommt für Kull ein 50-Prozent-Pensum zusammen. «Mehrmalige tägliche Kontrollgänge in der Anlage sind nötig. Ausserdem sind Sensoren installiert, die PH-Wert, Temperatur und Wasserdurchfluss messen. Diese Daten überwache ich laufend. Und es gibt eine Kamera in der Halle – quasi ein Babyphon.» Sind die kleinen Fische gross genug, kommen sie ins Bruthaus, später in die Aussenanlage am Rotsee, wo Zbinden die weitere Aufzucht täglich überwacht. Weil Trüschen nur langsam wachsen, ist das eine langwierige Aufgabe – die Fische sind erst ab zwei Jahren gross genug für den Verzehr. In der Anlage am Rotsee, wo die Jung-Züchter eingemietet sind, werden auch Forellen gezüchtet, das Areal gehört der Korporation Luzern. Über die Becken sind Netze gespannt, «als Schutz vor Reihern und der Katze, die hier daheim ist. Für sie wären die Becken wie ein gedeckter Tisch!», so Kull.
Auslieferung per Velo. Die beiden Fischzüchter halten die Zucht von Fischen für ein Zukunftsmodell. Jeder Schweizer und jede Schweizerin isst jährlich 8,5 Kilo Fisch, 98 Prozent stammt aus Import. Und die Tatsache, dass sämtliche Seen und alle Meere massiv überfischt sind, legt die Zucht nahe. Lachse aus Lostallo und Zander aus dem Gotthardgebiet sind in der Gastronomie bereits etabliert. Zbinden und Kull wollen nun auch nachhaltige, regionale Trüschen in die Restaurants bringen, als feine Ergänzung des Fischangebotes. Das Futter für die Raubfische, ein Fischmehl, wird aus Beifang gemacht, und Zbinden liefert die Bestellungen per Velo aus – zwei weitere Aspekte der Nachhaltigkeit, auf die die Züchter grossen Wert legen. Ausserdem sind Trüschen sehr anpassungsfähig, was die Wassertemperatur angeht, also auch wenn der Klimawandel unsere Gewässer weiter aufwärmt.
Lenny tauch nach Muscheln! Einer, der von Anfang an Trüschen von VierFisch bestellte, ist Lenny Hartmann, Sous-Chef im Restaurant Drei Könige in Luzern. «Wir führen sie regelmässig auf der Karte, ich bin Fan von diesen feinen Fischen», erzählt der «Wassermann». Er fischte schon als Bub Hechte im Teich im heimischen Merenschwand und im Sihlsee: Der Opa war sein Vorbild. Heute taucht er einmal wöchentlich in der Reuss nach Körbchenmuscheln – wenn es die Fliessgeschwindigkeit erlaubt. «Diesen Sommer führte die Reuss sehr viel und sehr schnelles Wasser. Da wäre Tauchen zu gefährlich gewesen», sagt Hartmann. Die Muscheln isst er selbst oder legt sie in Öl ein. Die Muscheln sind frisch und eingelegt im Sortiment der Markthalle Luzern zu finden. «Körbchenmuscheln sind wie die gefürchtete Quagga-Muschel eine invasive Art. Sie zu essen hilft also auch unseren Gewässern – und sie schmecken toll!» In seinen Tauchgründen nahe dem Kasernenplatz finde er immer welche. Sie liegen locker auf sandigem Grund. Leere, schimmernde Muschelschalen seien ein Indiz, wo welche zu finden sind. «Meine ersten Körbchenmuscheln habe ich in Zürich im Restaurant Rosi gegessen. Das brachte mich auf die Idee, selbst danach zu tauchen», so der Koch, dessen rechter Arm ein tätowierter Hecht ziert.
Trüschen, zubereitet auf dem Camping-Kocher. Wie einfach Trüschen zuzubereiten sind, beweist Lenny Hartmann bei unserem Besuch der Zucht-Anlage von Zbinden und Kull. Hartmann hat ein paar Zutaten, seinen Camping-Kocher und ein scharfes Tranchiermesser mitgebracht. Mit viel Geschick filetiert er die Trüschen, zieht die glatte Haut ab, schneidet Kopf, Schwanz- und Rückenflosse und die wenigen Gräte in der Brust heraus. Den ganzen Fisch wendet er im Mehl, Ei und Panko, frittiert ihn in einem grossen Topf. «So schmeckt er super, das weisse Fleisch hat einen tollen Biss», so der Fisch-Fan. Oder er verarbeitet ihn roh als Ceviche, garniert mit seinen Körbchenmuscheln und wilden Blüten, die er auf dem Weg zum Rotsee gepflückt hat. Das letzte kulinarische Highlight beim Picknick: die grosse Leber, sie macht fünf Prozent des ganzen Fisches aus, wird kurz in Butter angebraten, mit Zwiebelconfit ergänzt und auf einem warmen Brioche serviert. Gesünder und nachhaltiger kann Fisch-Genuss nicht sein!
www.truesche.ch
www.hotel-dreikoenige.ch
www.markthalle-luzern.ch